Ruhe nach dem Sturm

(1890.)

Nun kommt im biedern Land der Eichen
Allmälig wieder man zur Ruh.
Man deckt des Wahlkampfs „schöne“ Leichen
Mit Kalk und schwarzer Erde zu,
Indeß man tiefbetrübt die Posten
Der Spesen sich zusammenstellt,
Denn auch die Niederlagen kosten
Bekanntlich ja ein Heidengeld.

Fürsorglich packt die Sonntagsphrase
Der Reichsfreund nun in Watte ein,
Und die entrüstete Emphase
Verschließt er im polirten Schrein.
Es wandern selber die Posaunen
Voll Hast in irgend ein Verließ,
In die man zu der Hörer Staunen
Mit aufgeblasnen Backen stieß.

Was aus dem großen heil’gen Kampfe
An Wahlplakaten übrig bleibt,
Das wandert in die Lumpenstampfe,
Die achtlos ihre Räder treibt,
Und die mit souveräner Kühle,
Was der Kartell-Apostel schreibt
Im Wallen heiligster Gefühle,
Zu einem grauen Brei zerreibt.

Zur Ruhe wieder sind gekommen
Die Herrn Studenten, bunt bemützt,
Die zu des Reiches Heil und Frommen
Als Treiber sinnig man benützt;
Was man an Sängern, Turnern, Schützen
Und alten Kriegern laut beschwor,
Das schwer bedrohte Reich zu stützen,
Es legt sich erschöpft aufs Ohr.

Wie thut nach all den Wahldepeschen,
Nach dem Getute dumpf und hohl,
Wie thut nach all dem Zungendreschen
Die Ruhe und die Stille wohl!
Zum Glück, ihr Herrn Kartellgenossen,
War all’ die Mühe für die Katz.
Ihr geht zerbläut, gerupft, begossen
Und krumm und lendenlahm vom Platz.

Collection: 
1893

More from Poet

  • (1889.)

    Als zu des schönen Friedensfestes Feier
    Die Reiche alle la belle France entbot,
    Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
    Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.
    Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
    Sie lehnten...

  • (1890.)

    Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
    Du zwanzigster des Februar,
    Wir werden dein gedenken
    In hoher Lust, in Mannesstolz,
    Bis sie im Sarg von Tannenholz
    Uns in die Erde senken.

    Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
    ...

  • So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
    Geflüchtet mich in stiller, tiefer Nacht,
    Der ernsten Sammlung tragischer Gedichte,
    Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
    Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
    Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
    ...

  • (Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

    Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
    Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
    Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
    Und in Englands stickige Nebel;
    Doch hat er sich allzeit der Feinde...

  • Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
    Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
    Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen –
    Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;
    Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
    Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
    ...