Märzgedanken

Als ich ein Knabe noch mit lock’gem Haar,
Der ohne Arg auf jeden zugeschritten,
Als ich ein ahnungsloses Kind noch war,
Da hab ich schon von Haß und Hohn gelitten.
Ich weiß noch gut, wie bitter weh es tat,
Hört ich auf mich die harten Worte zielen:
„Sein Vater ist ein roter Demokrat –
Es schickt sich nicht, mit solcher Brut zu spielen.“

Ein tiefer Schatten fiel auf all mein Glück,
Ich lernte früh, im stillen mich zu härmen.
Ich zog mich schüchtern in mich selbst zurück
Und hielt mich abseits von der Kinder Lärmen.
Im stillen Wald ging ich mit mir zu Rat’,
Und an der Wimper hing die Knabenzähre:
„Was ist das nur, ein roter Demokrat,
Und was kann Vater tun, das unrecht wäre?“

Und als der Freiheit Tod- und Racheschrei
Ergriffen mich in meinem tiefsten Wesen,
Als man den Haß auf jede Tyrannei
Auch ohne Wort in meinem Blick gelesen –
Erhobnen Fingers, warnend, mahnend trat
Zum jungen Hitzkopf mancher Kluge, Gute:
„Dein Vater war ein roter Demokrat;
Das spukt dir nun naturgemäß im Blute!“

Und als der Schnee mir fiel aufs dunkle Haar
Und dennoch ich mit Feuer statt mit Wasser
Noch immer taufte und noch immer war
Für jeden Druck ein unversöhnter Hasser,
Da glaubten denn die Stützen für den Staat,
Sie dürften mich, den Unentwegten, schrauben:
„Wie, Freund, noch immer roter Demokrat?
Auch heute noch? Das ist doch nicht zu glauben!“

Ich werde immer für die Freiheit glühn,
Ich werde immer für die Freiheit kämpfen,
Und kindisch ist das ängstliche Bemühn,
Den trotzigen Rebellensinn zu dämpfen;
Und wenn den letzten Atemzug ich tat,
Könnt ihr mein Leben in die Worte fassen:
„Er war und blieb ein roter Demokrat,
Und seine Fahne hat er nie verlassen!“

Collection: 
1904

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