Die reaktionäre Masse

Ihr meint noch jetzt, daß es ein Rätsel sei
Und daß des Volkes Spruch euch überrasche?
War Reich und Kaiser nicht das Feldgeschrei?
Jawohl, doch meintet ihr – die eigne Tasche!
Im Volke aber tagt es furchtbar jetzt,
Darum vollzog es die gewalt’ge Schwenkung,
Und euch, die Schwindler des Kartells, versetzt
Mit einem Fußtritt es in die Versenkung.

Durch drei Jahrzehnte hielt die Phrase vor,
Doch liegt zuviel, zu Klotziges dazwischen,
Und die Vergoldung, die sich doch verlor,
Gelang es nicht bei Zeiten aufzufrischen.
Ihr habt euch redlich damit abgeplagt
Und jeden Tag die Arbeit vorgenommen,
Doch endlich hat der Apparat versagt,
Und wie’s gekommen ist, so mußt es kommen.

Wer den Betrug, den schmählichen, erkannt,
Der hat in hellem und gerechtem Grimme
Für immer sich den Fälschern abgewandt,
Und den Verleumdeten gab er die Stimme.
Ihr standet da, ein kläglich Jammerbild,
Und eurer schlaffen Hand entsank der Zügel;
Das Volk fuhr auf, die Massen wurden wild,
Und ihr bekamt die wohlverdienten Prügel.

Den Schwarzen nur hat’s noch einmal geglückt.
Doch herrscht auch hier die Furcht bereits, die blasse;
Auch ihnen ist der Stempel aufgedrückt,
Es hat getagt auch in der „Pfaffengasse“.
Die Wahrheit bricht sich Bahn; hilflos erliegt
Dem Manneswort die Predigt der Verschwornen,
Und wie wir die Gescheitelten besiegt,
Besiegen wir dereinst auch die Geschornen.

Da hilft kein Zetern und kein Wutgebell,
Und Papst und Bischof mahnen da vergebens;
In Millionen Köpfen ward es hell
Und in die Stickluft drang der Hauch des Lebens.
Uns hemmt kein Damm, kein noch so fester Turm,
Denn unterwühlt bereits ist jede Feste;
Wir nehmen sie das nächste Mal mit Sturm
Und sprengen in die Luft der Zwingburg Reste.

Collection: 
1903

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