Die Riesenhöhle bei Balve

 (Sauerland.)

Die Sonne sank – im Abendstrahl
Stieg ich zu Balves Felsensaal,
Der wie ein Dom vor mir gebreitet,
Sich übermächtig dehnt und weitet,
Und mit den Wänden zackigrauh
Aufstrebt wie ein Gigantenbau. –

Ich stieg hinan und trat hinein –
Die Sonne gab noch glühen Schein
Dem Felspalaste am Portale,
Indeß im Hintergrund vom Saale,
Wohin mein Fuß jetzt langsam ging,
Die Nacht schon ihren Mantel hing. –

Verödet lag der weite Raum,
Ich sah die letzten Enden kaum
Vor mir im grauen Dämmerlichte,
Und dann – gespenstiges Gesichte –
Gewannen plötzlich Leben hier
Die Vorwelt-Hünen – Mensch wie Tier. –

Ich sah Gestalten aufersteh’n,
Wie sie die Erde einst geseh’n,
Und wie sie Träume nur bescheren,
Das Mammut und den Höhlenbären,
Und wie der Mensch mit ihnen rang,
Der Steinzeit, und die Keule schwang. –

Ein Kampf so wüst und ungeschlacht’,
Daß Phantasie ihn kaum erdacht,
Und der doch wirklich hat bestanden,
Weil sich Beweise dafür fanden
Aus jenen Zeiten, wild und rauh,
Auch hier in Balves Riesenbau. –

Wie oft mag hier der Grund gedröhnt,
Wie oft geröchelt und gestöhnt
Der Kämpfer haben im Turneie –
Wie oft der Fels vom Todesschreie
Geklungen in der grausen Schlacht,
Wenn Mut erlag der Uebermacht?

So woben ihren Schleier dicht
Ein Höhenspuk, ein Traumgesicht,
Um mich mit immer fester’n Ringen –
Da schlug von außen helles Singen,
Den Spuk entzaubernd, an mein Ohr –
Es war mein Freund am Felsentor. –

Nun zogen beide wir gemach
Im Grünen, unter’m Tannendach,
Zum Hönnetal des Weges weiter.
Mein Freund, der stets fidel und heiter,
Sang Lieder durch den Waldesraum –
Ich dachte an den Höhlentraum. –

Collection: 
1909

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