Der Reim ist nur der Sprache Gunst,
nicht nebenher noch eine Kunst,
Geboren wird er, wo sein Platz,
aus einem Satz mit einem Satz.
Er ist kein eigenwillig Ding,
das in der Form spazieren ging.
Er ist ein Inhalt, ist kein Kleid,
das heute eng und morgen weit.
Er ist nicht Ornament der Leere,
des toten Wortes letzte Ehre.
Nicht Würze ist er, sondern Nahrung,
er ist nicht Reiz, er ist die Paarung.
Er ist das Ufer, wo sie landen,
sind zwei Gedanken einverstanden.
Er ist so seicht und ist so tief
wie jede Sehnsucht, die ihn rief.
Er ist so einfach oder schal
wie der Empfindung Material.
Er ist so neu und ist so alt
wie des Gedichtes Vollgestalt.
Orphischen Liedes Reim, ich wette,
er steht auch in der Operette.
Wenn Worte ihren Wert behalten,
kann nie ein alter Reim veralten.
Fühlt sich am Vers ein Puls, ein Herz,
so fühlt es auch den Reim auf Schmerz.
Aus allgemeinrer Sachlichkeit
glückt neu der Reim von Leid auf Zeit.
Weist mich das Wort in weitere Fernen —
o staunend Wiedersehn mit Sternen!
Der erdensichern Schmach Verbreitung
bedingt dafür die Tageszeitung
und leicht trifft einem irdnen Tropf
der Reim den Nagel auf den Kopf.
Dem Wortbekenner ist das Wort
ein Wunder und ein Gnadenort.
Der Reim, oft nur der Verse Leim,
ist der Gedanken Honigseim.
Hier bietet die Natur den Schatz,
dort Technik süßeren Ersatz.
Ein Wort, das nie am Ursprung lügt,
zugleich auch den Geschmack betrügt.
Dort ist’s ein eingemischter Klang,
hier eingeboren in den Drang.
Sei es der Unbedeutung Schall:
ein Schöpfer ruft es aus dem All.
Dort deckt der Reim die innre Lücke
und dient als eine Versfußkrücke.
Hier nimmt er teil am ganzen Muß,
die Fessel eines Genius,
Gebundnes tiefer noch zu binden.
Was sich nicht suchen läßt, nur finden,
was in des Wortglücks Augenblick,
nicht aus Geschick, nur durch Geschick
da ist und was von selbst gelingt,
aus Mutterschaft der Sprache springt:
das ist der Reim. Nicht, was euch singt!