Der Frühling an den Gefangnen

(Nach dem Englischen des John Prince.)

          „O komm, laß uns fliehn,
          Laß uns jubelnd durchziehn
     Die wiedererwachte Natur,
          Die Himmel blaun,
          Und die Lüfte bethaun
     Mit Wonneschauern die Flur.
          Maaßliebchen erscheint,
          Und das Veilchen weint
     Mit Thränen der Freude – den Thau,
          Und’s Bächlein spricht:
          „ Vergiß-mein-nicht
     In Blumensprache zur Au; –
Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn,
Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn.

          „Die Lerche singt
          Und steiget, und schwingt
     Sich hoch in den Himmel empor,
          Und Iris spannt
          Ueber Meer und Land
     Ihr farbenschimmerndes Thor.
          Der Zephyr spielt
          Und koset und stiehlt
     Der Rose würzigen Duft,
          Im Nu durchdringt,
          Unsichtbar beschwingt
     Der Blumenathem die Luft;
Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn,
Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn.

          „Auf den Bergen thront
          Und in Thälern wohnt
     Nun Freiheit wieder und Lust,
          Es trägt der Strom
          Des Himmels Dom
     Gespiegelt an der Brust;
          Selbst Moor und Bucht,
          Selbst Fels und Schlucht
     Im Reize der Jugend erglänzt,
          Sogar der Quell
          An waldiger Stell
     Ist farrenkraut-bekränzt; –
Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn,
Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn.

          „Der Busch umschlingt
          Sein Liebchen und schwingt
     Sich fort nach dem Takt der Schalmei,
          Und wiederhallt
          Der grünende Wald
     Die lustige Melodei;
          Das Alter wird jung,
          Von Erinnerung
     Und Frühlingshauch geschwellt, –
          Der Jugend nur
          Jung wie die Natur
     Gehöret im Lenze die Welt;
Doch der Sommer ist nah, und ich darf nicht verziehn,
Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn.“

Collection: 
1851

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