Das Göttliche

     Edel sey der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn,
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

     Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnden!
Sein Beyspiel lehr’ uns
Jene glauben.

     Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös’ und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.

     Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg,
Und ergreifen,
Vorüber eilend,
Einen um den andern.

     Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.

     Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen,
Müssen wir alle
Unseres Daseyns
Kreise vollenden.

      Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

     Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen;
Heilen und retten
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.

     Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Thäten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Thut oder möchte.

      Der edle Mensch
Sey hülfreich und gut!
Unermüdlich schaff’ er
Das Nützliche, Rechte,
Sey uns ein Vorbild
Jener geahndeten Wesen!

Collection: 
1789

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