An Mira

Traum der Jugend, so oft geträumt,
Und zerronnen, zerstoben,
Noch beim Nahen der langen Nacht
Hält mich dein Zauber umwoben. –

Wieder lockt und raunt es mich an
Mit dem nämlichen Werben,
Und das alte törichte Herz
Denkt nicht an Welken und Sterben. –

Was verloren ich längst geglaubt
Unter Sorgen und Mühen,
Will, wie die Rose von Jericho,
Neu mir in Schönheit erblühen. –

Wieder schimmernd und schwanenweiß
Seh’ ich Arme mir winken –
Darf ich den Becher, so lockend kredenzt,
Darf ich noch einmal ihn trinken? –
         

Darf ich auch nur, Mira, dich umkosen,
Wie der Zephir kost um junge Rosen
In verschwieg’nen sommerschwülen Nächten –
Darf ich auch nicht zu den tiefsten Schächten
Deiner Herzensträume niedersteigen,
Muß mich beherrschen auch und schweigen,
Eines, eines darf ich doch dir sagen:
Liebeswunde hast du mir geschlagen,
Und ich kranke an der bittern, harben
Liebeswunde, die nicht kann vernarben. –

           *

Brächte gern dir rote Rosen
Täglich, stündlich, immer neue –
Möchte dich mit ihrem Dufte
Laben, Mira, und erquicken. –

Und für meine roten Rosen
Raubte ich dir Feuerküsse,
Küsse, die das Herze klopfen
Und die Pulse fiebernd machen. –

Aber ach, du weilst zu ferne,
Kann dir keine Rosen bringen,
Kann nur sehnen, kann nur träumen
Und von deiner Schöne singen. –

           *

Weißt du, wie Zigeuner lieben?
Ungezügelt, ohne Schranken,
Einzig nur den Flammentrieben
Ihres heißen Herzens folgend. –

Auch Poeten sind Zigeuner,
Schweifend in Phantasus Reiche,
Und sie fühlen und sie lieben
Mit dem Gluthauch der Zigeuner. –

Collection: 
1909

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