(1889.)
Wenn du vom Ausland mehr und Näh’res wüßtest,
Als leider, leider! du zu wissen pflegst
(Daß du für Völkerkunde Neigung hegst,
Ist wohl das Letzte, womit du dich brüstest?),
So wüßtest du, daß unsres Volkes Massen
Nicht ruhmsuchttoll, nicht kriegerisch, nicht blind
Für andrer Völker bestes Streben sind
Und daß sie Frankreich ganz gewiß nicht hassen.
Du wüßtest dann, daß zwischen Rhein und Oder
Es weite Kreise ernster Männer giebt,
In denen Frankreich man von Herzen liebt,
Das weggefegt so vielen Schutt und Moder,
Das auf der höchsten Warte der Gedanken,
Im Sonnenschein, im freien Lufthauch stand,
Und das den Weg zum Recht, zur Freiheit fand
Für Andre auch, nicht blos für seine Franken.
Du wüßtest dann, daß man sich grämt und trauert,
Wenn falsche Wege du verblendet gehst,
Wenn du im schlimmen Kreis dich schwindelnd drehst,
Und daß man nicht auf deine Fehler lauert;
Du wüßtest dann, daß man im deutschen Lande
Es als ein Unglück für die Welt beklagt,
Wenn Frankreich sich an Abenteuer wagt,
Die stets in Unheil enden und in Schande.
Auf dieser Freunde Lippen schwebt die Frage:
Wie lange dauert dieses Possenspiel?
Wann setzest einem Treiben du sein Ziel,
Das nur ein Abklatsch ist vergangner Tage?
Wie lange soll des Reiterstiefels Knarren
Für la belle France des Schicksals Stimme sein?
Wie lange glaubst du an sein „Ja“ und „Nein“?
Wie lange hält der Hanswurst dich zum Narren?
Stupid, verlogen, ohne Spur von Würde,
Im Grund ein Feigling, also auch brutal –
Was ist er mehr, dein „braver“ General?
Ist er berühmt? Sein Ruhm ist leichte Bürde.
Und wäre noch an ihm ein Zug von Größe,
Im Bösen selbst! Das imponirt der Welt,
Das bahnt den Weg zum Thron aus rauhem Zelt –
Doch er – wie fad, wie hohl in seiner Blöße!
Und er bewegt die Herzen und Gemüther
Und hoffen darf er, ohne toll zu sein,
Es setze einst das stolze Frankreich ein
Ihn zum Verwalter seiner höchsten Güter!
Das wird ein Fleck auf deinem Schilde bleiben,
Ein Riß, ein tiefer Riß durch dein Panier,
Und deinen Freunden wird es, da nicht dir,
Der Scham Erröthen in die Wange treiben.
Auf dieser Freunde Lippen schwebt die Frage:
Wie lange buhlst du um des Zaren Gunst?
Ist würdig es, daß der Kosacken-Brunst
Die Jungfrau Frankreich werbend an sich trage?
Frankreich und Rußland sind geborne Hasser,
Versöhnen wird kein Fürst, kein Schicksal sie.
Versöhnen Freiheit sich und Despotie?
Versöhnt das Feuer jemals sich dem Wasser?
Nicht ungestraft kannst du mit Rußland gehen,
Nicht ungestraft zum Newa-Ufer schau’n;
Die Neigung schwindet, ist es um’s Vertrau’n,
Das jeder Neigung Seele ist, geschehen.
Ihr speist am besten an getrennten Tischen,
Denn zwischen euch gähnt eine geist’ge Kluft;
Es thut nicht gut, Orangenblüthenduft
Mit dem des Juchtenleders zu vermischen.
Nicht furchtsam beugen sollst du deinen Nacken,
Doch hindert das, die Wahrheit einzusehn:
„Es macht nicht stark, es macht nur schwach, zu gehn
Am Arm des freiheitfeindlichen Kosacken?“
Es bringt dir Schimpf, nach seinem Kuß zu schmachten;
Sei stolz und vornehm, halte dich allein,
Und sei gewiß, du wirst dann stärker sein
Und deine Feinde werden stumm dich achten!“
Im Jubeljahr der großen Weltenwende
Soll Boulanger dir eine Ziffer sein?
Fahr’ mit dem Schwamme ungeduldig drein
Und mach’ der großen, hohlen Null ein Ende!
Im Jubeljahre des Bastillesturmes
Soll der Kosack an deiner Rechten stehn?
Laß einsam nur die Trikolore wehn
Von allen Zinnen deines Eiffelthurmes!