Agrarisches Manifest

(1891.)

Bei jedem Anlaß, der sich bot,
Bekundeten wir stets aufs Neue
Ergebenheit bis in den Tod
Und absolute Kaisertreue.
Doch treibt die Sache nicht zu weit,
Zu Gunsten von verhetzten Massen!
Ihr müßt in alle Ewigkeit
Den Kornzoll hübsch in Ruhe lassen!

Wir opfern willig Gut und Blut
Auf dem Altar des Vaterlandes;
Bekanntermaßen ist der Muth
Ein altes Vorrecht unsres Standes.
In jedem Amt sind wir bereit,
Für euch uns lächelnd aufzureiben,
Doch treibt die Dinge nicht zu weit –
Der Kornzoll muß bestehen bleiben!

Uns geht’s auch heute herzlich schlecht
Bei so viel Rang- und Standespflichten,
Und auf ein wohlerworbnes Recht
Soll man gefügig da verzichten?
Der Kornzoll ist und bleibt gefeit,
Ob Alles schwankend auch auf Erden –
Erhöht kann er zwar jederzeit,
Doch darf er nie erniedrigt werden!

Was leiht sein Ohr der König dar
Dem Plebs und seinen frechen Klagen?
Denn wäre Alles wirklich wahr,
Was haben wir danach zu fragen?
Macht ihnen Sparsamkeit zur Pflicht;
Wir tragen auch an schweren Lasten,
Doch unternehmt das Wagniß nicht,
Den Kornzoll jemals anzutasten!

Und wenn ihr’s dennoch wagt und thut,
So kommt euch froh genug die Reue,
Denn dieser Zoll ist – kurz und gut! –
Zugleich das Rückrat unsrer Treue!
Wenn ihr, was nie geschehen mag,
Euch dergestalt an uns versündigt,
So wird euch an demselben Tag
Die Heeresfolge aufgekündigt!

Ihr kennt an uns nur ein Gesicht:
Den milden Ernst, den friedevollen;
Jedoch vergaloppirt euch nicht –
Wir können zürnen auch und grollen!
Der Schwatz, wenn man bei Tafel sitzt,
Ist schließlich Alles nur Geflunker;
Die Frage hat sich zugespitzt
Zum knappen Satz: Kein Zoll, kein Junker!

Schlagt nicht die Warnung in den Wind –
Ihr werdet euch in Nesseln setzen!
Die Stelle, wo wir sterblich sind –
O hütet euch, sie zu verletzen!
Es lebt sogar im Herrenhaus
Noch der Vasallentrotz, der echte;
Ist’s mit dem Kornzoll wirklich aus,
So sucht euch eine andre Rechte!

Ja, wir bestehn auf unsrem Schein
Bis an das Ende aller Tage;
Hier werden wir unbeugsam sein,
Denn hier kommt das Prinzip in Frage!
Ja wohl, wir sind aus Rand und Band
Und nagen blutig uns die Lippen;
Kommt her und wagt’s, mit kecker Hand
An unsern Kornzoll nur zu tippen!

Collection: 
1893

More from Poet

  • (1889.)

    Als zu des schönen Friedensfestes Feier
    Die Reiche alle la belle France entbot,
    Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
    Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.
    Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
    Sie lehnten...

  • (1890.)

    Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
    Du zwanzigster des Februar,
    Wir werden dein gedenken
    In hoher Lust, in Mannesstolz,
    Bis sie im Sarg von Tannenholz
    Uns in die Erde senken.

    Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
    ...

  • So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
    Geflüchtet mich in stiller, tiefer Nacht,
    Der ernsten Sammlung tragischer Gedichte,
    Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
    Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
    Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
    ...

  • (Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

    Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
    Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
    Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
    Und in Englands stickige Nebel;
    Doch hat er sich allzeit der Feinde...

  • Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
    Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
    Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen –
    Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;
    Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
    Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
    ...