(XI. Jahrhundert)
Hoch über der Welt liegt Sternenglanz,
Die Bäume flüstern im Winde,
Da schleichen zwei durchs tauige Feld
Unter die grünende Linde.
"Otfried, bist du's?" ""Bist du's, Gerlind?""
So fragen die zwei mit Bangen,
Dann ist in einem seligen Kuß
All' ihre Antwort zergangen.
"Bei Gott, wenn es mein Vater wüßt',
Er täte mich morgen bannen!"
""Und wüßt' es der meine, wie du mich liebst,
Ich müßte heut' noch von dannen!""
Sie neigte zurück ihr goldig Haupt,
Er faßt' es mit beiden Händen:
""So laß uns denn zu dieser Frist
Das Leid in Wonne wenden!
Die Vögelein und die Veigelein
Sind alle schlafen gegangen,
Dieweilen wir so traut allein
Am Hals einander hangen.""
Und unter der Linde tiefem Dach
Saßen die beiden nieder,
Nur manchmal fernes Rüdengebell -
Und totenstille war's wieder.
So wurden zwei in stiller Stund'
Einander ganz zu eigen.
Die alte Linde, sie deckt ihr Glück,
Sie deckt es mit Grün und – Schweigen!