Erinnerungen

 
Hast du es schon vergessen?
Hast du es schon vergessen
Dies Stüblein, still und klein,
Wo ich bei dir gesessen
Im webenden Sonnenschein?

Kein Schritt klang an die Pforte,
Es war so tiefe Ruh';
Da klangen selige Worte -
Und selig lauschtest du,

Hinaus ins Bergblau lugend,
Die Augen himmelwärts -
O, wie die Wonne der Jugend,
So floß es über dein Herz! - - -

Und alles das verdorrte
Und alles das verblich:
Der Sonnenschein, die Worte,
Dies Jugendglück – und ich!

Ruhezeit
Nun ist sie fort, die mir gefangen
Die Seele hielt! Ich geh' im Wald!
Es streift der Berghauch mir die Wangen
Und lauschend hör' ich's, wie es schallt:
"Ward dir auch Leid von süßen Frauen,
So trage nur dein Leid hinaus
In Tannengrün und Himmelsblauen;
Da streck' dich hin und – ruh' dich aus!"

Ich streck' mich hin – ins Moos und schweige;
Und mit den heißen Augen schau'
Ich in die wundergrünen Zweige
Und in dies sehnsuchttiefe Blau;
Das ist ein Weben, Funkeln, Singen! -
Doch all der Sang ist stumm für mich.
"Nun ruh' dich aus!" so hör' ich's klingen -
Kann ich denn ruhen – ohne dich?

Im Dunklen
Du vermißt mich nimmer,
Du verstehst mich nicht;
Nur ins heiße Leben
Schaut dein Angesicht.

Und mit Herzenslauten,
Daß mein Herz fast brach,
Rief ich doch vom Schlummer
Deine Seele wach!

Und in Herzenstreue,
Die sich selbst vergaß,
Hab' ich dich geliebet
Ohne Ziel und Maß!

Nun ist öd' mein Zimmer
Und verlöscht mein Licht -
Du vermißt mich nimmer,
Du verstehst mich nicht!

Nicht daheim!
Mein süßes Lieb, wo weilest du,
Darf ich dich nicht umfangen?
Dein Haus ist zu, dein Herz ist zu -
Ist alles schon vergangen?

Der Schmerzensklang, der Freudenruf,
Den ich dir einst gesungen?
Die Welt voll Glück, die ich dir schuf,
Ist alles schon verklungen?

Es kommt wohl einst ein Tag ins Land,
Da bist du ohn' Geleite;
Da fliegt der Herbstwind übern Sand,
Da schaust du leer ins Weite.

Die Augen beide gäbest du,
Könnt' ich dich dann umfangen;
Doch dann sind meine Augen zu -
Ist alles schon vergangen!

Jahreszeiten
Als hoch das Feld in Blumen stand
Und als die Schwalbe flog ins Land:
Da blühte sie empor in mir
Die Liebe, schöne Frau, zu dir.

Und wie der Tag am längsten war,
So blau und heiß, so sonnenklar:
Da war die Liebe heiß und hoch
Und ich war selig – weißt du's noch?

Da ward es Herbst, die Schwalben zieh'n -
Und schweigend zogst auch du dahin;
Und wie das Laub vom Baume sank:
Da war ich stumm, da war ich krank!

Das ist der Liebe alter Gang,
Sie geht so tief, sie geht so lang!
Nun kommt der Winter und der Schnee,
Ich geh' zu Grund' an ihrem Weh!

Sie haben mich vertröstet …
Sie haben mich vertröstet:
"Geduld' dich nur der Zeit,
Laß nur die Zeit vergehen,
Mit ihr vergeht das Leid!"

Ich sah den Sommer schwinden,
Der war so heiß und grün;
Ich sah im kühlen Herbste
Die letzten Blumen blüh'n.

Ich schau' hinaus durchs Fenster,
Wie's windet und wie's schneit -
Die Zeit ist all' vergangen,
Doch wann vergeht das Leid?

Einsame Tage
(Frauenlied)
Nun bist du fortgegangen;
Doch schwankt das Herz mir nicht,
Zerteilt in Lieb' und Bangen
In Dämmernot und Licht.

Ich will die Stirne neigen
Und trag' die lange Frist;
Ich weiß, du bist mein eigen,
Wo du auch gehst und bist.

Still wird's in meinem Herzen
Wie im geweihten Dom,
Wenn man verlöscht die Kerzen
Beim letzten Orgelstrom.

Der Sonntag kehrt ja wieder,
Mein Sonntag, der bist du!
Ich schlag' die Augen nieder
Und warte dein – in Ruh'!

Geigenklänge
Müd' ist mein Licht und müd' mein Blick,
Mein Stüblein füllt beklomm'nes Schweigen;
Fernhin klingt spielende Musik:
Der Sang der Welt, der Klang der Geigen!

Und klingend zieht mir's durch das Herz:
Das Glück! – wie ich dich einst gefunden
Und wie ich dich verlor – der Schmerz! -
Wie glühen diese stillen Stunden!

Es flimmert feucht um meinen Blick,
Erinn'rung zieht den leisen Reigen;
Fernhin klingt spielende Musik:
Der Sang der Welt, der Klang der Geigen!

Frauenklage
Nun bist du fort – der Winterschnee
Liegt über dem weiten Lande;
Ich bin daheim, ich komm' und geh' -
Mein Tun vergeht im Sande.

Ich nehm' die Spindel wohl zur Hand
Früh' mit der Morgensonnen,
Doch wenn der Mittag kommt ins Land,
Dann hab' ich nichts gesponnen!

Ich bin vor meinem alten Buch
Zur Dämmerzeit gesessen;
Doch hab' ich auch den besten Spruch
Am Abend schon vergessen!

Nun bist du fort – so weit, so weit! -
Wie hart ich dich verliere! - -
Nun setz' ich mich zur Schlafenszeit
Zum heißen Herd und – friere!

Versunken
Versunken bin ich ganz darinnen,
In dieser stillen Winterwelt,
Bis in mein Schaffen und mein Sinnen
Mit einmal dein Gedenken fällt!

Ich horche auf! – Was ist erklungen?
Ich fühl's, wie meine Wangen glüh'n;
Mir träumt: ein Vogel hätt' gesungen
Und alle Welt wär' wieder grün.

Wintergruß
Nur einen grünen Tannenzweig
Bring' ich dir heim vom Wandern heute;
Ich brach ihn an dem Waldessteig,
Wo ich einst ging an deiner Seite.

Ich taucht' ihn in die blaue Flut,
Wo ich dereinst mit dir gezogen
In Sommerglut, in Herzensglut -
Spürst du den Gruß von Wald und Wogen?

Denn wie der Bergsee, tief und kühn,
So flutet stürmend meine Liebe,
Und wie der Zweig da bleibt sie grün,
Wenn es auch ewig – Winter bliebe.

Nachruf
Du zogst dahin aus jenem Lande,
Wo einst die Bergwelt uns umblaut',
Allein steh' ich am Waldesrande,
Wo einst wir zwei ins Tal geschaut.

Es rauscht der Wind im welken Laube,
Wo ich dich einst im Grün geliebt -
Doch meine Seele stärkt der Glaube:
Daß es im Leben Blüten gibt,

Die ewig blühen im Vergehen
Der Jahreszeiten und der Zeit -
Und wem ihr Wunder je geschehen,
Der ist gestärkt – in Ewigkeit!

Collection: 
1908

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