Und wär' ich krank, daß Hoffnung

Und wär' ich krank, daß Hoffnung
Zu leben nicht mehr wär',
So rief' ich schnell mein Liebchen
Ans Sterbebette her.

Wir durften uns nicht sehen,
So lang ich leben konnt',
Ich werd' nun von dir gehen,
Nachdem ich mich gesonnt

Zum erst' und letzten Male
In deinem süßen Blick,
Den mir niemand kann nehmen,
Der ach mein höchstes Glück.

Wir durften uns nicht sagen,
Daß wir geliebt uns beid',
Dazu woll'n wir benutzen
Die kurze sel'ge Zeit.

Wir durften uns nicht küssen,
Weil man's nicht gerne sah,
Küß mich in langem Kusse,
Lieb, denn der Tod ist nah.

Jetzt wollen sie verwehren
Den letzten Wunsch mir nicht,
Es ist ja bald zu Ende,
Es ist mein letzt' Gericht.

Aus: Carl Sternheim Gesamtwerk
Band 9: Unveröffentlichtes Frühwerk II
Lyrik Dramenfragmente Prosa
Herausgegeben von Wilhelm Emrich
Hermann Luchterhand Verlag Neuwied am Rhein, Berlin 41 1970

Collection: 
1967

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