I
Erwachen
Geliebter, glaubte ich dich nicht verwunden,
Vergessen längst? Und wachst mir wieder auf ...
Hab ich dich nicht wie einst empfunden,
Schlugst du nicht heilig deine Lider auf?
Was läßt du mich zuinnerst weh erbeben,
Was gibst du innig Schmerzen schweren Lauf.
Sieh all mein Wesen will um deines schweben.
Schließe o schließe mir dein Herze auf.
Niemand ahnt, wie ich dich liebe,
Niemand ahnt den hohen Traum.
Still küßt meine große Liebe
Deiner Augen dunklen Saum.
17. März XI Westerland
II
Toren und Blinde sagten, ich hätte dich verkannt.
Ich hätte mich selber träumend in dich gebannt. -
- In mich sank da Zweifel und frommer Glaube schwand.
Scheu floh ich die Seele, der fromm dein Bild erstand. -
- Da kamst du nach Zeiten und reichtest mir die Hand.
Wortlos verschlang sich neu heiliges Band.
2. V. XI
III
Du sangest mir das Lied der ersten Jugend
So überschön ... und schenktest soviel Blüten,
Daß ich nur zitternd vor dir knien kann
Mit Dank und Amen. Du warst Frühling, der
Mir seine Zweige noch in Gräber drängt,
Noch Grüfte füllt mit seinem Duft und Blühen.
Dich sprach die Lippe heilig. Du entwelkst nicht,
Einziger. Gütige Zukunft rühre uns
Hoffnungs- und segensreich mit sprossendem Gezweig.
3. V. XI
IV
Noch haften starr von jüngsten Streites Stunden,
Von allen irren gramzerkerbten Fahrten
An deiner Seele Schutt und Blut der Wunden.
Doch schreitest du wohl bald zu heiliger Quelle,
Wo Wasser ihres frommen Priesters warten;
Rein wäscht noch jeden gütig-reiche Welle.
22. V. XI
V
Ein Letztes
Ich rette mitten dich aus Drang des Tages,
Dich aus Gelärm sich scheuchender Fantome,
Aus Rauch und Flamme häßlichsten Gelages
In wundervolle Dunkelheit der Dome.
Wo Unbewegtheit deine Anmut ewigt,
Wo Schweigen einigt wie Kuß und Umarmung,
Und eines Lebens lautere Erbarmung
Uns beide Kinder himmelschön verewigt.
20. VI. XI
VI
Seltsam scheint fast, daß ich singe
Dir noch immer neue Lieder;
Sonst der Rasche: kaum die Dinge
Rührt er an, entflieht er wieder.
Aber dies ist Offenbaren,
Treu verschlungenes Schicksalszeichen.
Laß zu liebendem Bewahren
Stumm uns stumme Hände reichen.
5. VII. XI
(Band 1 S. 358-360)
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