In strahlender Früh'

 
Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh'!
Wie hast du geruht die vergangene Nacht?
O höre, mir war's, als ob hell mich umglüh'
Ein Traum mit unendlicher Zaubermacht!

Mir war es, als ruhte ein Auge auf mir -
Ein Aug' mit unsäglich liebendem Blick,
Und der Blick, o der war, als wär' er von dir,
Verkündend mein überselig Geschick.

Mir war es, als läg' meine zitternde Hand
An einem erbebenden Herzen fest,
Und es war mir im Traum, als ob deine Hand
Die meine dir zitternd an's Herz gepreßt.

Mir war es, als ging' ein seliger Hauch
Aus in rosiger Reinheit erglühendem Mund,
Und es war mir, als wär's dein Athem auch
Der ein Wort mir geflüstert aus Herzensgrund.

Mir war's, als durchzuckte die Lippen mir
Ein Strahl, von ewiger Lieb' entzückt,
Und mir war es im Traum, als ob ich dir
Den Kuß der Lieb' auf die Lippen gedrückt.

Es war mir, als ob eine Rose erblüh' -!
Ich weiß nicht, ob ich geträumt, ob gewacht; -
Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh' -
Wie hast du geruht die vergangene Nacht?!

Collection: 
1865

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