Eine Frühlingsnacht

Der Tag ist versunken so schnell, so schnell,
Die Abendglocken verklangen,
Und die Sterne flimmern so hell, so hell,
Und der Mond ist aufgegangen.

Und es weht so mild durch die klingende Au,
Durchflogen vom Glühwurmsglanze,
Und die Blumenkelche sind voll von Thau
Zum Labtrunk beim Elfentanze.

Und ich steh' vor meiner Liebsten Haus -
Die schlummert bei offenem Fenster -
Der Bäume Schatten weh'n ein und aus
Wie holde Traumgespenster.

Und es sprühen hellfunkelnd aus und ein,
Wie glühend Liebesgedanken
Johanniswürmchen, mit hellem Schein,
Durch die Rosen, die's Fenster umranken.

Die Elfen tanzen im Wiesengrund,
Vom duftigen Thauwein trunken,
Und ich pflücke Blumen zur Geisterstund',
Bestreut mit lebendigen Funken.

Die sollen mir liebliche Boten sein,
Die sollen mein Lieb mir grüßen,
Und ich werfe sie leise zum Fenster hinein -
Da liegen sie ihr zu Füßen,

Und hauchen sie an mit süßer Lust,
Und die glühenden Würmchen fachen,
Daß, tiefaufathmend aus wogender Brust
Mein Lieb vom Traum muß erwachen. -

Und als ich am Tag vorüber ging,
Da stand sie am Fenster sinnend,
Am Strauß vor ihr eine Thräne hing,
Auf mich hernieder rinnend.

Und sie war so still und sie war so bleich,
Doch glühte ihr Auge trunken,
Und sie lachte mich an so liebereich,
In seligen Traum versunken.

Collection: 
1865

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