Willst du das Weib in ganzer Größe sehn,
So sieh es nicht umstrahlt von Glückes Glänzen,
Wenn unumwölkt die Freudensterne stehn,
So sieh's, wenn Dornen seinen Pfad bekränzen;
So sieh das Weib, wenn aus des Glückes Schooß
Wenn von der Lust es hieß das Schicksal scheiden,
Denn, wie der Mann in That und Handeln groß,
So ist's das Weib im Dulden und im Leiden!
O, sieh das Weib in opferfreud'ger Pflicht!
Im Arm der Gattin ruht der Mann, der kranke.
Aus ihrem Aug' die treue Liebe spricht
Und ein Gebet ist jeglicher Gedanke.
Kein Stündlein, wo sie fern dem Liebsten blieb'!
Sie mag sich gern um ihn des Schlafs berauben.
O, sieh ein Weib, voll opferfreud'ger Lieb'!
Ein solches sieh und lern' an Engel glauben!
Ein krankes Weib, des Todes Beute halb;
Kaum trägt der Körper noch der Fuß, der matte,
Und dennoch spielet um die Lippen, falb,
Ein freundlich Lächeln, naht besorgt der Gatte.
Nur im Verborgnen still die Thräne fällt,
Daß sie dem Theuren ihren Schmerz verhehle. -
Als Königin in des Gemüthes Welt,
Der unerforschten, herrscht die Frauenseele.