Der Kranken Liebsten!

 

Wenn in dem Wald die Vögel singen,
Dann wollen wir in's Grüne gehn
Und sehen, wie die Knospen springen
Und Maienglöcklein auferstehn;
Und, wie die Welt in solchen Tagen
Das herbe Winterleid vergißt,
Vergißt Dein Herz auch wohl die Klagen,
Wenn alles rings so selig ist.

Wenn nun sich rings die Wiesen färben,
Die Quelle rauscht herab zum Grund,
Dann sprichst Du nicht von Tod und Sterben,
Dann wirst Du froh und wirst gesund;
Dann, statt zu weinen, wirst Du lachen,
Dann senkst Du nicht die Stirne matt,
Dann wird Dein Schmerz nicht traurig machen
Den, der so innig lieb Dich hat!

O sieh, wenn ich Dich leiden sehe,
Dann wird mir schwer und trüb zu Sinn,
Dann fühl' ich doppelt jedes Wehe,
Und alle meine Lust ist hin.
Mein Auge schickt sich schlecht zum Weinen,
Doch tief im Busen nagt die Pein;
Zum Trost Dir möcht' ich ruhig scheinen
Und kann ja doch nicht ruhig sein! -

Der Frühling kommt; Du wirst genesen.
Der Frühling nimmt die Schmerzen fort.
In Veilchenkelchen laß' uns lesen
Der Gottheit ew'ges Liebeswort.
Und, wenn im Wald die Vögel singen,
Dann wollen wir in's Grüne gehn
Und sehen, wie die Knospen springen,
Und Maienglöcklein auferstehn!
 

Collection: 
1880

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