Mich dünket als begönn' ich, Dich zu lieben,
Mein Herr, mein Gott!
Hat Knospen doch das starre Reis getrieben?
Das Auge, das so trocken stets geblieben,
Es feuchtet sich fürwahr! Doch was sind Thränen? ...
Laß mich nicht täuschen eitles Liebeswähnen!
Gleichwie sich Frühjahrsgrün in zarten Spitzen
Aus dürrem Holz
Zum Lichte drängt: so fühl' ich leise schlitzen
Die Rinde sich und durch die offnen Ritzen
Dringt mir in's Mark ein Strom seltsamer Wonne ...
Das bist Du, Gott, Du meine Frühlingssonne!
Auf einmal fühl' ich's freudevoll hell und schneidend:
Du warst ein Mensch,
Aus Adams Stamm ein Mensch, empfindend, leidend,
Mit uns Dich zur Hülflosigkeit bescheidend,
Durch Vaters Offenbarung Gott Dich wissend,
Doch Trostgefühl der eignen Gottheit missend!
An der Unendlichkeit allein der Schmerzen
Empfandest Du's,
(Dagegen tiefstes Erdenleid ein Scherzen,)
Daß im Urgrund des zartgebauten Herzen
Du Jener sei'st, der Anfang nicht genommen.
Wohl mag Betrachtung solchen Wunders frommen.
Wohl, mein Verstand, magst du dich dran ergetzen,
Wohl, Fantasie,
Mag also geistig süße Kost dich letzen!
Doch ... dient nicht etwa mir, o welch' Entsetzen,
Des Heilands Pein, Erfindung höchster Liebe,
Zum Kitzel nur verderbter Geistestriebe?
Trugspiel des Ich's! Wer wird mir Einfalt schenken?
Mein Herr, mein Gott!
Eins nur vermag aus Krümmen mich zu lenken:
Ach, Richtung stets erneuend, Dein gedenken,
Dich suchen, Dich, so oft das Ich auch sieget,
Nur Dich, nie mich, bis todt das Ich erlieget!