Drei Übersetzungen aus dem Spanischen

(Aus Boehl de Faber's "Floresta")

1.
(Glosse)

"Eia Seele, liebst du Mich?"
Herr, das weißt Du sonder Fragen!
"Doch wie wen? Wirst Mir es sagen?"
Ei mein Herr und Gott, wie Dich!

"Seele, so ward es geschätzt,
Wenn Ich deine Lieb' erstritte,
Daß Ich starb und gerne jetzt
Tausend Tode noch erlitte,
So Mich deine Liebe letzt.
Und nun weißt du sicherlich,
Nimmer so wahrhaft'gem Triebe
Soll Verachtung lohnen. Sprich,
Da Ich also sehr dich liebe,
Eia Seele, liebst du Mich?"

Tausend Dinge zwar verkünden
Deine Liebe meinem Geist;
Dennoch rühret mich zumeist,
Daß Du fragend willst ergründen,
Was Du, Herr, ja lange weißt.
Besser ist Dir offenbar
Maß der Liebe sammt Betragen
Als mir selbst; Du schauest klar.
Was ich sagen muß, fürwahr,
Herr, das weißt Du sonder Fragen.

"Ob die Neigung groß, du Schöne,
Oder klein, ist wohl Mir kund,
Nimmer dieß der Frage Grund;
Nur das lieblicher es töne
Mir aus deinem eig'nen Mund.
Gut, du liebst; doch will mein Fragen,
Daß der Welt auch Kunde gibst,
Herz, von also heil'gem Schlagen.
Sei's, daß innig du Mich liebst,
Doch wie wen? Wirst Mir es sagen?"

Find' in Himmel oder Erde
Ich ein Ding, so Dir nicht weiche,
Oder das ich lieben werde,
Gott, wie Dich, dann ohn' Gefährde
Ich mit Jemand Dich vergleiche;
Doch da Zwei nicht sind wie Du,
Wahrhaft, einzig, ewiglich
Du nur Gott, wie wen mag ich
Wohl Dich lieben, Herr? Sieh zu! ...
Ei mein Herr und Gott, wie Dich!
Diego Murillo
dulce y provechosa poesia

2.

Ziehet, Gattin, ziehet,
Seltne Jungfrau, fort!
Da die Hähne krähen,
Unfern ist der Ort.

Ziehet, Herrin, ziehet,
Gut vor allem Gut!
Eh' die Stund' entfliehet,
Birgt uns Bethlems Hut;
Dort dann endlich ruht!
Wohl vermögt ihr's dort;
Da die Hähne krähen,
Unfern ist der Ort.

Herrin, sehr beklag' ich
Daß ihr Ruh nicht hattet!
Große Pein ertrag' ich,
Euch zu seh'n ermattet.
Bald, so Gott gestattet,
Find' ich einen Hort;
Da die Hähne krähen,
Unfern ist der Ort.

Herrin, Bethlehem
Sieht uns gleich entgegen;
Wohl bei irgendwem
Wird uns Herberg hegen.
Haben, Ruh zu pflegen,
Ja Verwandte dort.
Da die Hähne krähen,
Unfern ist der Ort.

Herrin mein, ach säh' ich
Euch doch nur entbunden!
Freudengabe gäb' ich
Was ich mein befunden;
Gäbe sorgentwunden
Gern dies Es'lein fort! ...
Da die Hähne krähen,
Unfern ist der Ort.
Franco de Ocana, Cancionero

3.

Leben außer mir leb' ich;
Solches Leben wird mein Erbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

In dem göttlichen Beisammen
Jener Lieb', in der ich schmachte,
Gott Sich zum Gefangnen machte,
Aber frei mein Herz. Doch stammen
Draus so schmerzlich Liebesflammen,
Wenn ich Gott zum Knecht erwerbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

O wie hart ist die Verbannung,
Wie die Kettenlast beschweret,
O wie lang das Leben währet,
Kaum erschwingbar Selbstermannung!
Des Erwartens lange Spannung
Macht mir Pein so wild und herbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

Wenn wohl süß das Lieben sprießt,
Unsüß wird ein langes Harren;
Von der Last, der eisenstarren,
Löse Gott mich! Bitter fließt
Leben, das nicht Sein genießt
In der elend irdnen Scherbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe!

Einzig leb' ich vom Vertrauen,
Daß ich einst zu sterben habe;
Liegt das Leben todt im Grabe,
Wandelt Hoffnung sich in Schauen.
Tod, des Lebens Morgengrauen,
Säume nicht, mich bald entfärbe,
Da ich vor Nichtsterben sterbe.

Wolle Lästigsein doch meiden
Bei so großer Liebesstärke,
Leben! "Dich gewinnen", merke,
Muß erst "Dich verlieren" leiden.
O so komm, viel leichtes Scheiden,
Süßer Tod, umfaß mich derbe,
Da ich vor Nichtsterben sterbe.

In dem Droben sonder Gleichen
Ist das Leben erst, das wahre,
Doch nur auf der Todtenbahre,
Lebend nimmer zu erreichen.
Tod, nicht wolle mir entweichen,
Jtzt leb' ich in Todesherbe,
Da ich vor Nichtsterben sterbe!

Leben, sag selbst ohn' Verdrießen,
Was dem Gott, Der lebt in mir,
Kann ich bieten außer dir,
Um Ihn besser zu genießen?
Sterbend will ich Ihn umschließen,
Weil ich so um Ihn nur werbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

Mich erbarmet mein. Abwesend,
Gott, von Dir, wie leb' ich da?
Schlimmern Tod als je ich sah,
Leid' ich, nie zum Tod genesend.
Tod, mich nie zum Ziel erlesend,
Macht so voll mein Qualenerbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

Fisch, vom Wasser ausgenommen,
Nicht wird ihm Erleit'rung fehlen;
Wer sich muß im Tode quälen,
Endlich wird der Tod ihm frommen.
Ist ein Tod, der gleich mag kommen
Meinem Leben leidensherbe,
Da ich vor Nichtsterben sterbe.

Schlummern ein die Kümmernisse,
Schauend Dich im Sakrament,
Schmerzlicher die Wunde brennt,
Weil ich das Genießen misse.
Nicht nach Lust Dich schau'n, o wisse,
Wie dieß Lust zu Pein verderbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

Liegt vor meinem Geist auch offen
Die Erwartung, Dich zu schauen,
Schnell hat des Verlustes Grauen
Doppelt mich mit Schmerz getroffen:
Hoffend mit so großem Hoffen,
Fürchtend ob ich nicht verderbe, -
Daß ich vor Nichtsterben sterbe.

Wolle lösend mich erheben,
Gott, aus dieser Todesschickung,
Dieser mächtigen Umstrickung,
Wolle, Gott, mir Leben geben!
Ohne Dich kann ich nicht leben,
Gib Dich endlich mir zum Erbe,
Da ich vor Nichtsterben sterbe.

Sei mein Tod mir denn beklagt,
Sei mein Leben mir bejammert
Also lang als es umklammert
Hier in Sündenstrafe zagt!
Jener Tag, o Gott, wann tagt
Er, da wahrhaft ich's erwerbe,
Daß ich vor Nichtsterben sterbe!
Santa Teresa de Jesus.

Collection: 
1865

More from Poet

  • 1. Bekenntniß
    Ja, mein Gott, Du bist zugegen, -
    Rhätsel, das die Liebe schafft, -
    Nicht nur Deiner Gnade Segen,
    Nein, Du Selber bist zugegen,
    Gott- und Menschheit wesenhaft!

    Ja, mein Gott, Du bist zugegen,...

  • 1. Jesu, es brandet
    Jesu, es brandet,
    Es tost in mir!

    Komm Du gezogen,
    Glätte die Wogen,
    Schreite wie sänftigend Oel drüber hin!
    Sieh, eine Grotte,
    Frei von der Rotte
    Wilder Gedanken,...

  • Entzückung kenn' ich, doch sie muß entschwinden
    Und kann sich drum dem Frieden schwer verbinden.
    Auch das Gefühl des Friedens ward ich inne;
    Doch ungesteigert ließ er oft die Sinne.
    Einst hoff' ich, daß mich Seligkeit umschlinget,...

  • "Seele, soll Ich dich erziehen
    Ganz so wie es Mir gefällt?"
    - Eia Herr, das sollst Du freilich,
    Dazu bin ich auf der Welt.

    "Seele, doch dann muß Ich schneiden,
    Muß Ich sengen, thu dir weh!"
    - Arzt, das mußt Du...

  • (In Erinnerung an das spanische Ay alma, me quieres bien)

    "Eia Seele, liebst du Mich?"
    - Still beschämet mich die Frage,
    Da Bejahung kaum ich wage:
    Lieb' mich selber, wenig Dich. -

    "Eia Seele, liebst du Mich"...