Nach ihrem Bilde im neuen Museum zu Berlin
Auf dem Götterwagen* ziehet
Freia durch die Welt einher -
Thränenlos ihr Antlitz glühet
Bang in Schmerz und sorgenschwer.
Mit dem Schmuck der Perlenkrone**
Und der Glockenblume Kranz,***
Ihrem Unglück wie zum Hohne,
Schmückt sie ew'ger Schönheit Glanz.
Reizumstrahlt im herbsten Kummer,
Jugendlich im lichten Schein -
Ohne Ruh und ohne Schlummer
Eilt sie durch die Welt allein.
Sehnend hebt sie ihre Arme
Nach verlornem Lebensglück,
Und mit bitt'rem tiefem Harme
Irrt der trostlos bange Blick.
Schönheit konnt' sie nicht beschützen
Vor Verrath und herbem Schmerz.
Treue Liebe zu besitzen,
Wähnt so bald ein Frauenherz.
Ach, und wird so bald verlaßen -
Männertreu verweht der Wind.
Was sie liebend auch umfaßen,
Ist vergeßen gar geschwind.
Denn nur in den Frauenherzen
Findet Lieb' ihr Heimatland -
Treu gewährt mit tausend Schmerzen,
Als ein göttlich Unterpfand.
Arme Freia, ach dein Gatte
Odur, mit dem leichten Sinn,
Deine Liebe, die er hatte,
Warf er leicht und lächelnd hin.
Und wenn Liebe ist gestorben,
Wird sie nimmer wieder wach!
Leicht verloren - schwer erworben,
Schick ihr deine Seufzer nach.
Aber Freia eilt noch immer -
Ewig sonder Rast noch Ruh,
Ohne einen Hoffnungsschimmer
Eilt sie dem Verhängnis zu.
Sehnend treibt sie ein Verlangen
Nach dem ungetreuen Mann -
Ach, der Liebe Schmerz und Bangen
Kein Beglückter faßen kann.
Wirf, o Göttin, ab dein Leiden!
Liebe winkt ja überall;
Liebe winkt mit tausend Freuden
Dir in jedem Sonnenstrahl.
Und sie lispelt leis mit Beben:
Fremdling, nein, ich laß' ihn nicht -
Meine Liebe ist mein Leben,
Wenn das Herz auch drüber bricht.
* Von Katzen, dem Sinnbilde der Zärtlichkeit, gezogen.
** Der kostbare Schmuck Breising, im Werk der Zwerge.
*** Schneeglöckchen, von denen in der nordischen
Vorzeit die Brautkränze geflochten wurde.
aus: Weibliches Leben von der Wiege bis zum Grabe
Im Munde deutscher Dichter
alter und neuer Zeit.
Eine Blütenlese heimatlicher Dichtungen
aus den Quellen für das Haus und die Schule
gesammelt und stufenmäßig geordnet
von Robert Koenig
Oldenburg 1860