Des Lieblingsörtchens Wiedersehen

Was wallst du, Luft, so liebend mir entgegen?
was rührt mein Innerstes mit zarter Hand,
und führt den Geist auf unbekannten Wegen
in der Erinn'rung stilles Schattenland?

Ich folge still dem Pfad, der sich gewunden
durch dichte Büsche drängt, dem Wäldchen zu.
Bald ist das Dörfchen hinter mir verschwunden,
und alles athmet Einsamkeit und Ruh.

Hier, wo umscherzt vom fröhlichen Gefieder
das Bächlein tanzt, sich froh die Buche hebt,
hier sink' ich still auf weichen Rasen nieder,
von Bildern der Vergangenheit umschwebt.

Wer schaut sie jetzt mit Lust, die grüne Fülle,
wer leiht dem fröhlichen Gesang sein Ohr?
Einsam entfaltet sich der Blume zarte Hülle,
und unbemerkt verhallt der Vögel Chor.

Verlassen murmelt sanft die Wiesenquelle,
kein fühlend Herz lauscht ihr mit zartem Sinn;
und ungesehen taucht sich die Libelle
mit leisem Flug durch grüne Dämm'rung hin.

Hier war es, wo einst in holden Träumen
der Hore Flug mit sanfterm Hauch zerrann;
wo sich die Phantasie in fernen Räumen
ein goldnes Zauberland mit Lust ersann.

Da wehte um das neue, frische Leben
der Zauberduft der Unerfahrenheit:
ich sah die Gegenwart mir hold entschweben,
und in der Ferne lauter Seligkeit.

Verloren ist die Blüthe der Gefühle,
der Täuschung buntes Zauberland verblich;
der Menschheit schönes Bild floh im Gewühle,
und ach! die Götter selbst entfernten sich.

Erfahrung schuf mir neue Lust und Schmerzen;
auf ihr Geheiss floh der geliebte Wahn.
Nur du, Natur - an dem verlass'nen Herzen
klang rein dein schöner Ton, wie vormals, an.

Wohl mir, dass in des Lebens bunten Scenen
nicht diese zarte Harmonie entwich!
Noch quillt für dich ein wenig reges Sehnen,
und mein Gefühl bleibt ewig jugendlich!

Du bist das Band, das bessre Seelen leitet,
die zartbesaiteten; wenn sich das Glück,
wenn Phantasie und Lust von ihnen scheidet,
rufst du den Frieden in ihr Herz zurück.

Collection: 
1800

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