Unselig ist, wer liebt und nie besessen,
Unsel'ger noch, wer Liebe nie empfunden,
Den aber hält das ärgste Weh umwunden,
Wer nicht mehr liebt und doch nicht kann vergessen.
Mit altem Glück und Wonnen unermessen
Vorhöhnen ihn die Geister alter Stunden,
Und er, an der Erinn'rung Rad gebunden
Muß an's verwaiste Herz die Hände pressen.
Beim Festgelag, im Lenz, bei frohem Mahle
Tritt wie ein Geist vor ihm die todte Liebe,
Und klirrend fällt aus seiner Hand die Schale.
Er wankt hinaus ein starrer Mann der Schmerzen,
Kein Ort so grün, daß er dort heimisch bliebe -
Ach todte Lieb' ist ein Gespenst im Herzen.
aus: Gedichte von Alfred Meißner
Zweite stark vermehrte Auflage
Leipzig Friedrich Ludwig Herbig 1846