Reihen. Liebe, Himmel, Hölle, Erde und Meer (Aus dem Trauerspiel "Sophonisbe")

Die Liebe
Der Zirkel der Natur umschränkt
Nicht mein Altar, nicht meines Tempels Zinnen;
In einem meiner Finger hängt,
Daß euer Leben euch die Parzen spinnen.
Kommt nun, Höll', Erde, Himmel, Meer,
Kommt, streut mir opfernd Weihrauch her!

Der Himmel
Du bist mein Kind, die Götter opfern mir;
Der Donner kämpft für meines Zepters Würde.
Was ziehst du denn dich meiner Gottheit für?
Dein Tempel ist vor meinem eine Hürde.

Die Liebe
Eh', als der Himmel stand, war ich.
Er buhlt liebäugelnd mit der Welt1 von ferne
Und schmückt mit tausend Augen sich.
Sein Kleid und Antlitz sind verliebte Sterne,
Bär, Stier2, Orion, Adler, Schwan
Zeigt meine Macht, sein Feuer an.

Der Himmel
Auf, rüste dich, o Herrschsucht3, für mich aus!
Laß, Jupiter, dein Zepter nicht verachten!
Was deinem Reich trotzt, schlag' durch Blitz' in Graus!4
Laß diese Kinder mir zum Opfer schlachten!

Die Liebe
Vor mir muß Jupiter selbst knie'n,
Ein Kukuk sein, ein güldner Regen werden.
Reißt, Kinder, ihm den Mantel hin!
Weist, daß er sei ein Satyr auf der Erden!
Brecht ihm die Donnerkeil' entzwei!
Lehrt, daß mein Pfeil ihr Meister sei!

Die Hölle
Wer Jupiter'n und Kronen auch besiegt,
Läßt doch den Pfuhl der Höllen unversehret.
Die Lieb' erstickt, ihr Anmuthsreiz erliegt,
Wo man nur Ach und Ketten schwirren höret.

Die Liebe
Auch bis zur Hölle dringt mein Strahl;
Mein Pfeil steckt noch in Ariadne's Brüsten,
Und Dido's Geist fühlt Liebesqual.
Dringt Orpheus nicht, gereizt von süßen Lüsten,
In Abgrund zur Eurydice
Und Theseus zur Persephone?

Die Hölle
Auf! Grausamkeit, die meine Nacht verwahrt!
Auf, Pluto, auf! bewaffne dich mit Flammen!
Beweise hier, wie Rach' und Grimm gebahrt!
Zertreib' den Schwarm der Kinder stracks vonsammen!

Die Liebe
Die Grausamkeit wird vor mir bleich,
Ein Polyphem erstarrt vor Galateen;
Selbst Pluto läßt sein finstres Reich,
Gereizt durch Brunst der Cerestochter, stehen.
Geht, Kinder, schleppt ihn zum5 Altar;
Reicht mir der Höllen Schlüssel dar!

Die Erde
Wenn in der Gluth gleich Höll' und Himmel kracht,
So nährt mein6 Schooß doch Seelen ohne Flammen.
Leucate's Fels vertilgt der Liebe Macht,
Silenus Bach7 theilt Seel' und Brunst vonsammen.

Die Liebe
Durch mich wird Cirth'8 und Troja Graus;
Die Erd' ist in den Himmel selbst verliebet;
Sie schmückt im Frühling schön sich aus,
Nur, daß sie ihm, geschwängert, Anmuth giebet.
Der Tiger Grimm, der Schlangen Gift
Verraucht, wenn sie mein Liebreiz trifft.

Die Erde
Alcides, auf! greif diesen Drachen an!
Der Tugend weicht jedwedes Ungeheuer.
Wer Höll' und Neid und Löwen tödten kann,
Bleibt unversehrt, wie Salamand'r im Feuer.

Die Liebe
Die Tugend wird mein glüher9 Brand.
Geht, Kinder, reißt die Keule weg dem Riesen,
Gebt ihm den Rocken in die Hand!
Nun spinne, wie dir's Omphale gewiesen!
Ja, Oeta soll dein Leichenstein
Und meine Gluth dein Holzstoß sein!

Das Wasser
Das Wasser löscht, fängt aber keine Gluth;
Wie soll nun 's Meer dir heißes Opfer bringen?
Selbst Phaethon kühlt sich in meiner Fluth,
Und Syrinx kann bei mir dem Pan entspringen.

Die Liebe
Die Lieb' hat ihre Wieg' in dir.
Jedweder Fisch, jedwede Muschel10 brennet;
Neptun wird rasend selbst vor mir,
Daß er der Ceres, wie ein Pferd, nachrennet.
Ja, des verliebten Alpheus Bach
Kreucht durch's Meer Arethusen nach.

Das Meer
Auf, Jason11, auf! Hier ist mein Dreizacksstab!
Spritz' aus hierdurch die Brände der Begierde!
Denn Ehr' und Ruhm gewinnt der Wollust ab;
Das güldne Vlies ist deiner Seele Zierde.

Die Liebe
Die Lieb' hat dir's zu Weg' gebracht;
Medeens Brust mußt' erst12 mein Pfeil zertrennen.
Geht, prüft, ihr Kinder, meine Macht,
Versucht, ob nicht der Dreizacksstab kann brennen!
Kommt nun, Höll', Himmel, Erde, Meer,
Kommt, streut mir opfernd Weihrauch her!

1 Er buhlt der Welt liebäugelnde
2 Ochs
3 Regiersucht
4 Schlag was dein Reich trotzt, durch den Blitz in Graus
5 für's
6 Nehrt meine
7 Wer sich in ihm badete, ward, nach Pausanias, von Liebe frei.
8 Cirtha, die Residenz des Syphar, des Gemahls der Sophonisbe,
die hier in die Gewalt des Masinissa kam.
9 glühend
10 Schnecke
11 In Jason wird, nach Angabe des Vfs, die Ehre,
sowie in Hercules die Tugend personificirt.
12 muß vor.

aus: Bibliothek deutscher Dichter
des siebzehnten Jahrhunderts.
Begonnen von Wilhelm Müller Fortgesetzt von Karl Förster
Band XIV. Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann
von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein,
Christian Wernike, Friedrich Rudolf Ludwig Freiherr von Canitz,
Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpfort,
Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und
Nicolaus Peucker. Leipzig F. A. Brockhaus 1838

Collection: 
1838

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