Auff einen schönen halß

Es war der Lysis von verwunderung entzücket /
Es war ihm seel und sinn nicht anders als bestricket:
Er wuste selbst nicht recht / wie und was ihm geschehn /
Indem er unverhofft was sonders hatt' ersehn.
Es dachte hin und her / und kont es nicht ergründen /
Er kunte nicht bey sich den rechten schlüssel finden;
Die weisse lilien verlohren ihren preiß
Bey diesem wunder-werck; der schnee schien nicht mehr weiß.
So kalt als dieser war / so grosse hitz' es machte /
Es red't und schwieg zugleich / es schien als wenn es lachte /
Jetzt bildet es ihm vor das runde himmels-zelt /
Bald bildet er ihm ein die kugel dieser welt.
Als nun in solchen stand war nahe zu ihm kommen
Der kleine liebes-gott / ehe ers in acht genommen /
Sprach er ihm also zu: nicht wunder Lysis dich
Ob diesem was du siehst; gar viel die haben sich
Verlohren an dem ort / den du anjetzt beschauet /
Wenn sie zu kühn gewest / und sich zu weit getrauet.
Diß ist der liebe thron / der schönheit auffenthalt /
Die wohnung aller lust / die süsseste gewalt /
Die sinn / gemüth und herz in ihre bande bringet /
Die alles menschliche besiegelt und bezwinget /
Der ort / wo nichts als nur vergnügung ist bewust /
Der lieblichkeiten sitz / der tempel aller lust.
Geh lieber Lysis / geh / jetzt magstu nur gedencken /
Wie du ein opffer kanst in diesen tempel schencken.
(Theil 2 S. 27)

aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991 (Neudrucke deutscher Literaturwerke)

Collection: 
1838

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