Die Wahnsinnige

Schön wie weiße Rosenknospe,
Stand sie mit ihm am Altar,
Und zur selben Stunde wußt' sie,
Daß ihr Liebster treulos war.

Nun in Nächten dumpfen Irrsinns
Dämmert sie den Daseinstraum,
Engelschön noch wie Ophelia
Unterm stillen Weidenbaum.

Dieses süße Kindesantlitz,
Dieser Locken Goldgerank,
Diese liebestrunknen Lippen, -
Wie ein ew'ger Schönheitssang!

Dieses märchenfromme Lächeln,
Dieser Glieder holde Pracht, -
Nur die Augen sind verschlossen,
Wie ein Stern, der sank in Nacht ...

Nun hebt sie die weichen Wimpern, -
Nimmer sah ich tiefre Not,
Als in diesen großen Augen
Starrten Irrsinnsnacht und Tod.

aus: Funken. Neue Dichtungen
von Ludwig Jacobowski
Dresden und Leipzig 1891

Collection: 
1884

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  • Schön wie weiße Rosenknospe,
    Stand sie mit ihm am Altar,
    Und zur selben Stunde wußt' sie,
    Daß ihr Liebster treulos war.

    Nun in Nächten dumpfen Irrsinns
    Dämmert sie den Daseinstraum,
    Engelschön noch wie Ophelia...

  • "O nenne mich wieder dein "süßes Lieb"
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