"O nenne mich wieder dein "süßes Lieb"
Und presse mich fest in die Arme.
Ich kann ja nur stammeln: "Vergieb, vergieb",
Was ich einst gethan im Harme,
Mein Trauter, im Harme!
Wie schluchzte mein banges Herz nach dir
In einsamer dunkler Kammer.
Seit Wochen und Monden warst du nicht bei mir
Und ich allein voll Jammer,
Mein Trauter, voll Jammer.
Seit du mir, du Guter, das häßliche Wort
Gesagt mit zuckendem Munde,
Da brannt' es im Herzen fort und fort,
Und nimmer schloß sich die Wunde,
Mein Trauter, die Wunde!
Es haben die Menschen dir viel erzählt,
Daß ich nur schlechtes triebe.
Doch eines haben sie dir verhehlt:
Daß ich dich unsagbar liebe,
Mein Trauter, so liebe!
Wo bist du gewesen so weit, so weit,
Daß du deinen Liebling vergessen?
Vergessen die schöne, wonnige Zeit
Wo Seele und Leib ich besessen,
Mein Trauter, besessen!
Und hätt'st du gesehen, wie weinend ich rang,
Gesehen mein Jammern und Klagen,
Bis traumbanger Schlaf mich niederzwang,
Du würdest es nicht mehr sagen,
Mein Trauter, nicht sagen.
O, damals lagen ja arm und krank
Mein Vater und Mutter in Fieber.
Und wie ich vor Arbeit die Hände auch rang,
Es ging uns nur trüber und trüber.
Mein Trauter, nur trüber!
O, damals, wie heute! Ein Wintertag,
Da hatten wir nichts mehr zu leben,
Da mußt ich, o furchtbarer, bittrer Schlag,
Mich weinend um Geld hingeben,
Mein Trauter, hingeben.
O sieh nicht weg, mein Liebling du,
Bin ich dir nicht treu geblieben?
Du gabst mir Güte und Liebe dazu,
Was hatte ich als mein Lieben,
Mein Trauter, mein Lieben?
Es haben die Menschen dir viel erzählt,
Daß ich nur schlechtes triebe,
Doch eines haben sie dir verhehlt,
Daß ich dich unsagbar liebe,
Mein Trauter, so liebe." ...
aus: Funken. Neue Dichtungen
von Ludwig Jacobowski
Dresden und Leipzig 1891