Hab' immer höhnisch aufgelacht,
Wenn ihr von Frauenwürde spracht,
Von einer reinen Weibesseele,
Die voller Unschuld, ohne Fehle,
Von mancher keuschen Mädchenblüte,
Die warmen Herzens, voller Güte.
Und erst des Weibes Heiligkeit
Die prieset ihr gar lang und breit;
Ich lachte bitter fort und fort,
Und glaubte euch kein einzig Wort,
Und dacht' dabei an manches Weib,
Mit frechen Augen, schönem Leib,
Das im Genusse selig lacht,
Die Nächte sich zu Tagen macht,
Mit reichem Schmucke schwer behangen,
Mit vollen rotgeschminkten Wangen,
Das lachend lockt und fröhlich tollt,
Bis es das Leben überrollt,
Das selig lebt und dann verdirbt,
Im Kusse lebt, im Wasser stirbt.
Da sah ich nun dein Angesicht,
Was mir geschah, ich weiß es nicht.
Ich hab' wohl mancherlei gedacht,
Doch höhnisch hab' ich nicht gelacht,
Und immer wieder, wenn ich seh
Die stillen Augen in der Näh',
Stirbt alle sündige Begehr,
Und weiß kein unrein Scheltwort mehr,
Und bitte dir im stillen ab,
Was ich für böse Worte gab,
Und hab' Gedanken fromm und gut,
Als wie so junges, junges Blut.
Und alles, was mich dazu zwang,
Ist selig blöder Liebesdrang.
aus: Aus bewegten Stunden Gedichte (1884-1888)
von Ludwig Jacobowski
Zweite veränderte Auflage Dresden und Leipzig 1899