Frühlings-Erwachen

Schneeglöckchen, wunderliches Ding,
Erwachst und läuterst: Kling, ling, ling,
"Auf, auf ihr Schläfer, es ist Zeit,
Vom Winterschlafe euch befreit!"

Den Krokus es nicht länger hält,
Neugierig schaut er in die Welt,
Dem Sonnenstrahl, der ihn umfließt,
Er lächelnd seinen Kelch erschließt.

Marienblümchen guckt hervor,
Hebt dann das Köpfchen keck empor,
Doch fehlet ihm der Sonnenschein,
So nickt es noch zuweilen ein.

Auch Veilchen, das die Mahnung traf,
Wischt aus den Aeuglein sich den Schlaf,
Und wie es nun so schläfrig schaut,
Die andern Blümchen kichern laut.

Die Primel auch vom Traum erwacht
Und mit den andern scherzt und lacht,
Sie zupfen hinten, zupfen vorn,
Den alten, guten Hagedorn.

Wie der sich dehnt, wie der sich streckt,
Als sie ihn aus dem Schlaf erweckt,
Er hätte gar zu gern gegrollt
Dem jungen Volke und geschmollt.

Wenn's ihn dazu nur kommen ließ',
Das Veilchen duftet gar zu süß,
Marienblümchen schaut ihn an
Daß er nicht böse werden kann.

Nun fängt er sich zu putzen an -
O weh' dem armen, alten Mann!
Da steht er nun, so recht ein Greis,
Geschmückt mit Blüthen silberweiß.

Maiglöckchen klingt und rufet laut
Zu allen Bäumen: "Aufgeschaut!"
Und tausend Augen springen auf
Und frohes Leben regt sich drauf.

Und alle Bäume, weit und breit
Die ziehen an ein neues Kleid,
Und wenn sie sich recht schön belaubt,
So schlingen Blüthen sie um's Haupt.

Die Birke ist so blank, so nett,
Sie schaut so eitel und kokett,
Nickt in dem Bach, der lustig quillt,
Entgegen ihrem Spiegelbild.

Und schaut die Trauerweide gar!
Es wallt ihr langes, grünes Haar
Und in den See, der freundlich blaut,
Sie wie ein schelmisch Nixchen schaut.

Der Eichbaum steht, ein Großpapa,
Im Kreis der andern Bäume da,
Es klettert, wie ein Enkelchor,
Der Epheu wild an ihm empor.

Und wie nun Alles grünt und blüht
Am Hag die Rose auch erglüht -
Ein jedes Herz fliegt zu ihr hin,
Sie ist des Frühlings Königin.

Die Rebe blüht nun endlich auch
Und jeder Baum und jeder Strauch,
Und Liebe jede Blüth' durchdringt,
Daß sie im Herbste Segen bringt.

aus: Deutschlands Dichterinnen
Von H. Kletke
Vierte vermehrte Auflage
Berlin o. J.[1860]

Collection: 
1850

More from Poet

Schneeglöckchen, wunderliches Ding,
Erwachst und läuterst: Kling, ling, ling,
"Auf, auf ihr Schläfer, es ist Zeit,
Vom Winterschlafe euch befreit!"

Den Krokus es nicht länger hält,
Neugierig schaut er in die Welt,
...

Der Wald ist kühl, der Wald ist grün,
Die rothen Haideblumen blühn,
Die blauen Glöckchen klingen leis,
Die Grille zirpt im grünen Reis.

Ich wandle her, ich wandle hin,
Es liegt dein Bild mir stets im Sinn!
Ich...

Ihr Sterne, die ihr am Himmel steht
Und freundlich herniedergrüßt,
Du Mond, der oben durch Wolken geht -
Wißt ihr, was Liebe ist?

Ihr Blumen, die ihr im Walde blüht,
Von lauen Winden geküßt,
Du Bach, der geschwätzig...

1.
So gern möcht' ich dir sagen,
Wie heiß meine Seele dich liebt,
Doch stille sitz' ich und träume -
Du glaubst wol, ich wäre betrübt.

Doch lege die Hand nur auf's Herze
Und fühle, wie's pochet und glüht,...

Noch einmal will ich an die Liebe glauben,
Noch einmal heb' ich sie auf den Altar
Und schmiege gläubig mich in ihre Arme,
So fromm und gläubig wie es früher war.

Noch einmal ist es Frühling hier geworden
In dieser Brust, und...