Er kniet vor ihr, von Liebe spricht sein Mund,
Um Liebe fleh'n die Augen, glüh'nde Flammen:
"Du bist so schön, so hold - o gieb' mir kund,
Kannst Du die Leidenschaft für Dich verdammen?"
'Wohl bin ich schön, mein Spiegel sagt es mir,
Doch ach, so bettelarm, verlass'ne Waise,
Als eine Leidende steh' ich vor Dir
Und als die Dienende im Fürstenkreise.'
"Was kümmert's mich, daß Du kein Königskind?
Du siehst als Sklave mich zu Deinen Füßen;
Die Tausende, die mir ergeben sind,
Sie sollen Dich als meine Fürstin grüßen" ...
'Das lockt mich nicht. - Nur Deiner Stimme Ton,
Dein Auge hält magnetisch mich gefangen;
Nach Dir allein, nach keinem Fürstenthron
Trägt meine Seele glühendes Verlangen.'
"So flieh mit mir. Wirf ab der Ketten Last!
Harrt nicht mein Jagdschloß längst auf Dich, Du Holde?
Im Arm der Liebe halte süße Rast,
Mit Schätzen überschütt' ich Dich und Golde."
'Ich will Dir folgen, wenn des Priesters Mund
Uns am Altar für ewig heut' verbündet.'
"Furchtsames Kind! Ist ewig nicht der Bund,
Ob still verschwiegen, ob der Welt verkündet?
Nicht hier! - ruft er, nur Leidenschaft im Blick -
Wo so viel Unberuf'ne auf uns schauen;
Auf meinem Schloß blüh' einsam unser Glück,
Dort soll des Priesters Hand uns morgen trauen!"
Noch zögert sie - doch er sucht fort und fort
Mit süßer Schmeichelei sie zu berauschen;
Sie widersteht nicht mehr und giebt ihr Wort,
Um ewig seiner Stimme nur zu lauschen. - -
Die Stunde kommt. Sie eilt zum Felsenrand,
Wo laut die Wellen an das Ufer schlagen;
Er harrt im Kahn, der sie aus Feindesland
Soll zum Asyl des Glücks, der Liebe tragen.
Vorbei die Qual! Als sie ein Kind noch war,
Trieb einst Verzweiflung sie in diese Fluthen;
Ein starker Arm entriß sie der Gefahr,
Es war ein Arm, der sie gepeitscht mit Ruthen.
Sie schmiegt an ihren Retter sich; verzagt
Blickt sie in's dunkle Grün der Uferbäume.
"Nicht furchtsam, Liebchen! Eh der Morgen tagt,
Erblickst Du meines Schlosses sich're Räume."
Sie landen endlich an der kleinen Bucht
Und willenlos läßt sie sich von ihm führen,
Ermüdet und geängstigt durch die Flucht,
Wankt sie an seinem Arm durch hohe Thüren.
Sie sieht den Reichthum kaum, der sie umgiebt,
Doch hört sein Flüstern sie, wie könnt' sie klagen!
"Kein Weib, Felicitas, ward so geliebt;
Doch ein Geständniß laß gleich jetzt mich wagen.
Sag', liebst Du wirklich mich, nur mich allein,
Nicht meinen Reichthum, meinen stolzen Adel!
Wie? - würd' ich plötzlich arm und elend sein,
Träf' mich aus Deinem Mund' kein herber Tadel?"
Liebkosend, sanft streicht sie das lock'ge Haar
Ihm von der Stirn', die wie im Fieber glühte,
Und lächelnd spricht sie: 'Arm, wie stets ich war,
Macht überreich mich Deine Lieb' und Güte.
Bist Du ein Bettler, will ich mit Dir geh'n,
Durch eignen Fleiß zur Arbeit Dich entfachen,
Bei all den Reichen will ich für Dich fleh'n
Und wenn Du krank bist, treulich bei Dir wachen.'
"Nicht so, mein Lieb! Ich bin ein reicher Mann
Und doch so arm, wenn Eines mir nicht bliebe;
Ach, Alles was ich Dir noch bieten kann,
Es ist allein mein Herz und seine Liebe.
Du starrst mich an - nur Frage ist Dein Blick -
Gieb Deine Hände mir - ich seh' sie beben!
O qualenvoll entsetzliches Geschick -
Hab' Weib und Kind! - o sprich, kannst Du vergeben?"
Sie greift an's Herz - ein greller Schrei ertönt;
Von seinen Lippen ringt sich's los: "Erbarmen."
Kein einzig Wort, kein Blick mehr, der versöhnt -
Nur eine Leiche hält er in den Armen.
Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895]