Der Schäfer

Draußen sah ich einen schönen Schäfer,
Der die Hände auf den Hügel lehnte
Und das nackenwärts gebogene Haupt
Schlafverschlossen gegen Morgen dehnte.

Eine rosenfarbene Kuckucksnelke
Lockend zwischen seinen Lippen schwankte.
Seine Füße badeten in Tau,
Seine Haare, die ein Zweig umrankte,

Spielten mit dem veilchensatten Winde.
Weidend auf der kargen Rasennarbe
Wogte läutend seine Lämmerschar.
Flammend wuchs die goldne Sonnengarbe.

Seinen frischen Knabenmund zu küssen,
Faßte mich ein wunderlich Verlangen,
Und ich beugte mich zu ihm herab,
Jener lichten Nelke Duft zu fangen.

Sieh, ein Lächeln glomm in seinen Zügen.
Halb im Schlafe lallte er: "Du Süße".
Reckte sich, rieb sich die Augen klar,
Sprang erschrocken auf die braunen Füße.

Über meine Kühnheit tief betroffen,
Stand ich kalt und fremd am Elsenbaume.
Und er murmelte: "Ich träumte schön.
Die Prinzessin küßte mich im Traume."

"Träumst Du Märchen ?" Neckend flog mein Lachen,
Und er wurde rot bei meinem Scherzen.
Von dem Hügel sprang ich schnell und leicht,
Doch ein Stachel saß mir tief im Herzen.

Collection: 
1922

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