Die Brücke

Zwei, die einst sich liebten, vor Gott und Menschen Weib und Mann,
Gingen zwanzig Jahre stumm in Joch und Bann.
Zwanzig Jahr in Schweigen, ohne Gruß und Wort.
Da sind in Schnee und Schatten zwei arme Seelen verdorrt.

Wie der Mann zum Sterben sich legte auf Erntestreu,
Sein Weib umhegte ihn schweigend, mondenkalt und treu.
Da sah wohl scheu und verstohlen eins das andere an.
Sie schlug die Augen nieder. Fiebernd stöhnte der Mann.

Sie sahen sich beide wie Sklaven, gekettet auf ödgrauem Meer,
Und kamen doch einst von den grünen Gestaden der Liebe her.
Nun war die Fahrt zu Ende. Sie sahen festes Land
Und sahen — o seliges Wunder — eine Sternenbrücke gespannt;

Vom blühenden Ufer der Liebe zum dämmernden Todesport.
Da quoll es wie Frühlingskeimen in Herzen, die lange verdorrt.
Wie Blut aus uralten Wunden brachs: "Ach, vergib, vergib."
"Ich habe Dich lieb", sprach das eine. Das andre: "Ich habe Dich lieb".

Collection: 
1922

More from Poet

  • Ich kenne dich,
    So, wie dich keiner kennt,
    Und ich versteh' dich ganz
    Durch meine Liebe.

    Kein Stern am Firmament
    Und keines Auges Glanz,
    Der für dich brennt
    Wie meine Liebe.

    Die Welt ist...

  • Laß uns glühende Rosen und Kerzen
    Zum Altar des Lebens tragen.
    Laß uns unsre blühenden Herzen
    Opfernd zerschlagen.

    Unsrer Liebe Brunst
    Hat noch trüben Schein.
    Aber in Rauch und Dunst
    Bläst Gottes Odem...

  • Gestillt ist mein Verlangen,
    Das dich nur rief.
    Wir haben uns empfangen
    Im Herzen tief.

    Wir haben uns gegeben
    Mit Mund und Kuß,
    Daß eins des andern Leben
    Vollenden muß.

    Auf allen unsren...

  • Wie soll mein Herz gesunden
    In dieses Harrens Pein?
    Ich denk' all Tag und Stunden
    An Dich, Du Liebster mein,
    Und bin doch fest gebunden.

    An Stein bin ich gekettet,
    Der Felsen ist mein Stolz.
    Ich liege...

  • Es treibt ein Boot, mit voller Fracht beladen,
    Auf dunklen Fluten, bis zum Rande schwer.
    Es findet nicht zu heimischen Gestaden,
    Die Fülle staut sich ihm zu Not und Schaden,
    Und Wasser spülen gurgelnd drüber her.

    Die Tiefe...