Getrübter Blick

Da unten rauscht das Wasser grün
Mit hellen Silberschäumen,
Und drüben schimmern Häuser hell
Aus dunkeln Eichenbäumen.

Und Heerdenglocken, Alpenruf
Hallt von den Felsen wieder,
Die Berge sehn im Morgenhauch
Still feierlich hernieder.

Viel Tannen überm Alpenschnee
Fast zu den Gipfeln klimmen
Und drüber hoch im tiefen Blau
Viel zarte Wölkchen schwimmen.

Und Alles lacht im Sonnenglanz
Und funkelt wie zum Gruße,
Doch kommt vom Berg ein frischer Wind
Und kühler Hauch vom Flusse.

Es ist so schön - so wunderschön!
Ich fühl' es wie im Traume,
Als schaut' ich in die helle Welt
Aus einem andern Raume.

Mein Herz, das ist der andre Raum,
Das kann an Eins nur denken,
Und das läßt nicht, wie sonst, es frei
Sich in die Welt versenken,

Das webt die Schleier trüb' und dicht
Rings um des Sommers Prangen,
Und läßt es ganz ein ander Gut,
Als er uns reicht, verlangen.

So steh' ich mitten in der Lust
Und weiß sie nicht mein eigen;
Denn ach, ich fühl' mein Herz nicht mehr
Klang, Licht und Düften gleichen.

So stehn wir einst im Paradies,
Vielleicht in Himmelslanden
Und fühlen's nicht, wenn nicht in uns
Das Paradies erstanden.

Collection: 
1857

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