Gewitternacht

(Ein Liebesbrief)

Ihr nennt mich närrisch und habt auch recht,
Denn wenn ich verliebt bin wie heute eben,
Dünkt selbst die Sonne mich fast zu schlecht
Sie meinem Mädel als Brosche zu geben.

Und wenn ein Verderben das Land verheert,
Flut, Feuer und Leichen mit grinsenden Mienen:
Mir, der ich von Liebe verwirrt und verstört,
Muß das auch zu rhythmischer Huldigung dienen!

Blau wie ein Feld in dichten Veilchen blüht,
Stand erst der Himmel über stillen Landen.
Dann ward er rot wie heiße Liebe glüht,
Bis seinem Antlitz alle Farben schwanden
Und weh und wild ihn ein Titanengram,
Sehnsucht und Zorn schwarzgallig überkam.

Er rief den Harfner seiner Traurigkeit,
Und grau und grimm sprang von den Felsenkanten
Der Sturm empor und sang von Mord und Streit
Und von dem Kampf der Götter und Giganten,
Daß seine Brauen immer düstrer zuckten
Und sich im Horst die Adler schreiend duckten. -

Der Tod allein macht Adlerherzen bleich,
Und der war nah! In zackigem Gefunkel
Schoß Blitz an Blitz, weiß loh'nden Schlangen gleich,
Ins Herz der Nacht und züngelte durchs Dunkel;
Und oben dröhnte donnernd dumpf Gestöhn
Und Wutgeschrei bis in die höchsten Höhn!

Die Blitze zuckten schauerlich nach oben
Und niederwärts in Flammenraserein.
Allvaters Thronstuhl bebte vor dem Toben,
Und schauernd fragte er am Schicksalsstein,
Ob diese Glut sein Spruch noch einmal bändigt,
Ach, oder ob der Götter Zeit beendigt.

Auf flacher Erde ward versengt das Gras,
Gestürzt der Hirt, verkohlt im Kahn der Ferge.
Die Riesenpappeln splitterten wie Gras,
Und edle Schlösser wurden Flammenberge.
Wie rasend schleuderte des Himmels Hand
Blitzstrahl um Blitz, bis ihm die Kraft entschwand.

Da ward es still, ganz still mit einem Mal,
Bis sich der Schmerz, der ihm die Brust fast sprengte,
Die Bahnen brach in Tränen bittrer Qual,
Im Wolkenbruch, der alles Land ertränkte,
So daß die Dörfer, heiß noch von den Flammen,
Wie Seglerflotten nun im Wasser schwammen.

Drei Tage weinte er, und wehren konnt
Er dann noch kaum die Tränen seinem Leide.
Als hätt er leuchtend nie uns übersonnt,
Hing kalt und grau er über wüster Heide.
Der durch Äonen Mensch und Götter schied
In selger Klarheit, blieb vergrämt und müd.

Weißt du, warum? - Dich, Schatz, hat er gesehn,
Und wilde Sehnsucht griff ihn deinetwegen.
Statt leuchtend klar zu Häupten dir zu stehn,
Wollt er sich zärtlich dir zu Füßen legen.
Und da Gesetzt des Weltenlaufs ihn band,
Empörte sich und schluchzte der Gigant! -

So hat selbst Ewige deine Lieblichkeit
In tiefster Brust verwundet und bewegt.
Ach, und nicht sanfter wär mein Trennungsleid,
Hielt süße Hoffnung nicht mein Herz umhegt.
Doch da ich hoff, laß tausendmal dich grüßen!
Der Himmel weint, ich jauchz' dir bald zu Füßen!

aus: Brückenlieder Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906

Collection: 
1903

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