O stirb noch nicht, Du meine treue Liebe,
Der ich von je die Seele ganz geweiht!
Damit ein Engel noch der Erde bliebe,
Der Blumen mir in manche Dornen streut;
Verlisch mir nicht, Du meines Lebens Licht!
O stirb noch nicht!
O stirb noch nicht, o Du mein fester Glaube:
Daß Einer bleibt, wenn Alles wankt und fällt!
Ich fiele bald dem Lebenssturm zum Raube
Wenn dieser Anker mir im Meer zerschellt;
Du Glaubensstern, auf den den Blick ich richt',
O stirb noch nicht!
O stirb noch nicht, o Du mein stilles Hoffen,
Daß einst das Ziel dem müden Waller blinkt!
O laß den Blick auf jene Ruhstatt offen,
Wo aller Schmerzen Druck und Bande sinkt;
Du letzter Strahl, der durch das Dunkel bricht,
O stirb noch nicht!
O stirb noch nicht! - Sieh, es will Abend werden,
Mein Herz, das Glaub' und Lieb' und Hoffen eint,
Mein Herz, bleib' noch im Dunkel dieser Erden,
Es jauchzt zuletzt, was lange hat geweint!
Bleib' stark, mein Herz, noch ist's zu Ende nicht!
O stirb noch nicht!
Aus: Dichterstimmen aus Baltischen Landen
Herausgegeben von Eugen Richter
Leipzig August Neumanns Verlag 1885