Meines Herzens jugendlichste Schwingen,
Meines Wesens feuervollste Macht
Biet' ich auf, den Augen Lob zu singen,
Die aus öder, freudenloser Nacht
Mich hinauf zum höchsten Lichte rissen,
Die mich mitten unter Finsternissen
So umstrahlten, daß ich, wunderbar!
Das nicht bin, was ich vor Zeiten war.
Zwar ich weiß mein kaltes Lob zu schätzen.
Welche Kluft: mein Lob und euer Werth!
Aber, wie dem Taumel Schranken setzen,
Seit, von eurer Gottheit ich verklärt
Wie der Auserwählten einer stehe,
Seit ich Wunder, lichte Wunder sehe?
Sehe, was kein Sterblicher, vielleicht
Auch kein Engel mit Gesang erreicht!
Was für Leid ich tief im Busen wälze,
Seht ihr Allessehenden allein!
Wenn an euren Strahlen ich zerschmelze,
Wie der Schnee vor Frühlings Sonnenschein;
O vielleicht (was fürchtet nicht die Liebe?)
Wünscht die Freundin, daß ich kälter bliebe,
Schöne Funken, weil ihr, sterblich Leid
Zu vergelten, gar zu göttlich seid!
Zeugen deß, was je von mir gelitten,
Je geschwärmt von meiner Liebe ward,
Flur und Thal, von Quellen schön durchschnitten,
Haine, voll von Frühlingsgegenwart!
O wie oft, wenn Zephyrn euch umfliegen,
Seht ihr mich am öden Felsen liegen,
Seht wie euer schwermuthsvoller Freund
Ohne Hoffnung sein Geschick beweint!
Ja, so ist's! Ihr Augen ohne Gleichen,
Wo ihr strahlt, seh' ich mein Ziel allein,
Und die Qual, es nimmer zu erreichen!
Fern von euch, wie dünk' ich mich so klein!
All' das Große, Schöne, Wunderbare,
Was der Weis' im Lauf durchdachter Jahre
Lernt von Kunst und von Natur zugleich,
Fass' ich oft auf Einen Blick von euch!
Wie so oft die Lieb' auf meinen Wangen
Farb' um Farbe wechselt, seht ihr's nicht?
Gram, Verzweiflung, zärtliches Verlangen,
Schatten heute; morgen wieder Licht!
Seht ihr das; o seht auf meinen Wangen
Meines Herzens ganzes Bildniß hangen!
Tief hinunter schlug der Zauberstab,
Den zu führen euch die Liebe gab!
Führt ihn gnädig; fesselt mein Vertrauen,
Allerschönste Kinder der Natur!
Ach! das Glück euch selber anzuschauen,
Weigerte die große Mutter nur.
Doch Ersatz gab sie mit voller Milde:
Was ihr seid, ihr göttlichen Gebilde,
Die ihr hoch zu Lieb' und Ehrbegier
Mich entflammt, das Alles seht an mir!
Könntet ihr, wie ich, den Zauber schauen,
Den in euch die Unschuld selbst gelegt;
Diesen Reiz des Weißen und des Blauen,
Wenn er ruht und wenn er sich bewegt;
Dieses Lächeln, diese hohe Würde,
Dies - wie nenn' ich's? - Himmel! solche Bürde
Von Entzücken, die mein Lobgedicht
Sinken macht, ertrügt ihr selber nicht!
Glücklich, dreimal glücklich ist die Seele,
Die für euch sich nur geschaffen glaubt,
Die nicht fragt: ob Gold und Ruhm ihr fehle?
Nur sich wünscht, daß sie doch, nie beraubt
Eurer Winke, still durch's Leben walle,
Keinem Fürsten, euch allein gefalle,
Außer euch, von jeder Fessel frei,
Gottes würdig, und der Liebe sei.
Schönste Wesen, nur um euretwillen
Hat für mich das Leben seinen Werth!
So wie Laub und Knospe sich enthüllen,
Wenn der Mai ein ödes Thal verklärt:
So enthüllet jede Tugend-Blüthe
Sich aus meinem innersten Gemüthe,
Seit mir Gott das Loos so himmlisch warf,
Daß ich euch, nur euch bewundern darf!
Aber wehe! daß ihr allzuselten
Mir das Mitleid eurer Blicke gönnt!
Ist es doch, als lägen tausend Welten
Zwischen uns, die Spannenweite trennt!
Gestern ach! als wir uns kaum erreichten,
Auf einmal, wie schönes Wetterleuchten
Wart ihr da - und wart nicht mehr - und ich
Seufzte tief: Umstrahlt' ein Engel mich?
Dennoch hört mein Lob nicht auf, zu tönen.
Zieht der Tod den letzten Vorhang auf;
Dann erhellt die letzte meiner Scenen!
Gern vollenden will ich meinen Lauf,
Wenn ihr einst mit einer Wehmuthszähre
Auf der Asche des Geliebten klagt:
"Ach! vielleicht, daß er noch nicht hier wäre,
Hätten wir ihm weniger versagt!"
(Band 2, S. 243-246)
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