Madonna

Eine Mutter wandelt mit Glanz im Gesicht,
Trägt froh ihren Säugling, ein lebend Gedicht;
So stolz und voll Demut, so liebreich entzückt,
Das Kind im wohligsten Schlaf entrückt.
Still wandelt sie hin durch den Menschentrott,
So weiß und so selig wie Engel vor Gott.
Und die Menschen trotten und traben vorbei,
Ahnt keiner, daß Gott auf der Erde sei.
Ein Einziger schaut, in die Ecke geschmiegt,
Das Kind und die Mutter, wie wonnig sie’s wiegt.
Ihm packt das Herz eine himmlische Hand
Und zieht ihn hinüber zum Straßenrand
Und drückt ihn dort, wo die Mutter ging,
In den Staub, der der Schwebenden Tritt empfing.
Roh lacht das Gedräng: der Kerl ist verrückt!
Er kniet noch und fern nach der Mutter blickt.
Und tagelang trägt er die Seligkeit
Und ein tiefes unfaßbares Sehnsuchtsleid.

Collection: 
1922

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