Komm doch näher zu mir, Lyka! Umschlinge mich fester.
Schmilzt meiner Traurigkeit Eis vor deiner Wärme wohl fort?
Kupfernes, knisterndes Haar, viel leuchtender schön als das meine,
dem der Ägypterin Saft heimlich den Goldglanz erhöht.
Sag, warum sieht dies kein Mann, wie süß du und rosig des Morgens
ihn hinwegführst, da mich Schlaffheit aufs Lager noch bannt.
Einst zählt ich fünfzehn wie du, ich hüllte in Fetzen die Glieder,
schwer auf dem Haupte den Krug trug ich das Wasser herbei,
heiß, treppauf und treppab huschend die Sitzreihn des Zirkus,
und mit dem singenden Ruf lockt ich die Durstigen an.
Wäre nicht Livia einst, beim Siege der Grünen, wie leblos
von ihrem Stuhle gestürzt, daß man des Wassers bedurft,
trüg ich wohl heut noch den Krug, trüge wohl heute noch Lumpen,
nennte nicht Garten noch Haus, nennte auch Lyka nicht mein.
Ach, wie schluchzte ich dort, im weißen Gewimmel der Togen,
als man bei helfender Hast mir die Amphore zerbracht.
"Arme Kleine, du weinst? wie magst du um Scherben dich grämen!
trägst ja von Kolchis den Schatz, trägst Jasons Vlies doch ums Haupt!"
Wieder hör ich den Ton und fühle die schmeichelnden Finger.
Ach, wie strich mir Petron lächelnd sanft übers Haar.
Wieder der einzigen Nacht denk ich, da ich die Sehnsucht
in seinen Armen empfing, wie man ein Kindlein empfängt ...
Lyka, wozu dir dein Haar, wozu dir das Wunder der Jugend,
- keiner sonst ist es wert, und heute nacht starb Petron.
Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930