Es sprach die Feder heut:
O sag, mein Lieber,
Ist denn die Liederzeit
Bei dir vorüber?
Bin ich dir denn zu klein
Zum Liebesdienste;
Sind Küsse denn allein
Jetzt deine Künste?
"O schweige still, mein Kind,
Und sei gewärtig;
Mit einem Mal oft sind
Viel Lieder fertig.
Doch Küsse schmäle nicht,
Die Liedern gleichen,
So still die Seele spricht
In Lippenzeichen."
2.
Abends wenn durch blaue Höhen
Geht das stille Sternenheer,
Kommt die lieblichste der Feen
Aus den Wolken zu mir her;
Ihre süßen Augen blicken
Wie zwei Strahlen in die Nacht,
Ihre Lippen, sie entzücken
Mir das Herz mit Zaubermacht.
Leise flüstert sie mir Jenes,
Und von Diesem spricht sie süß:
Was sie denken mag ist Schönes,
Was sie gibt ein Paradies.
In die trunk'nen Arme pressen
Möcht' ich für und für mein Glück,
Riefe neidisch sie indessen
Nicht die Mitternacht zurück.
Und sie weilt in holder Säumniß,
Sagt mir schnell dann Lebewohl,
Weil die Welt um das Geheimniß
Uns'res Glücks nicht wissen soll; -
Ahnte die, was in den Tagen
Meines Frohsinns Quelle sei,
Würde sie die Nächte fragen -
Und der Zauber wär vorbei.
3.
Was Frühling und Gesang
Und Sonnenlicht,
Ihr machtet mir nur bang,
Wär Liebe nicht!
Zwar ist die Blume schön,
Die Welle klar,
Und Nachtigallgetön
Gar wunderbar.
Doch vollen Zauber gibt
Erst Liebe euch;
Es fühlt sich, wer verliebt,
Den Göttern gleich.
Ihm singt die Nachtigall
In Hymnen Glück,
Es spiegelt Wasserfall
Ihm Glück zurück;
Glück deutet ihm das Grün,
Des Himmels Blau,
Und Glück ist rings um ihn,
Wohin er schau'.
Und schlummert er, so lullt
Das Glück ihn ein,
Von Engeln und von Huld
Träumt er allein.
Und stirbt er, so war Glück
Sein Lebenslauf,
Und jenseits schlägt den Blick
Er glücklich auf.
4.
Eine gute Nacht
Hab ich jüngst gefunden,
Eine süße Fracht
Holdverträumter Stunden.
Engel hatten Acht
Ueber mich im Traume,
Einer küßte sacht
Mich am Lippensaume.
Morgens aufgewacht,
Hab ich süßbeklommen
Leise nachgedacht,
Wie das all gekommen?
Und es fiel mir ein,
Was die Liebste sagte,
Als ich über mein
Scheidenmüssen klagte.
Süß rief sie den Gruß
Gute Nacht! bei'm Trennen,
Und dies Wörtlein muß
Wunder wirken können.
5.
Erst küßt' ich galant
Dir die weiße Hand,
Wußte vorzuflöten
Dir von Liebesnöthen;
Stiller ward ich dann,
Seufzte dann und wann,
Küßte deine Stirne,
Daß sie mir nicht zürne.
Jetzt ist Glück mein Loos
Und der Jubel groß,
Denn im Liebesbunde
Küss' ich dich am Munde.
Geht das Ding so fort,
Werd' ich ohne Wort
Nächstens, Liebchen, müssen
Deine - Seele küssen.
6.
Du von allen Wesen
Warst mir auserlesen,
Um den Wetterwendigen
Also sanft zu bändigen,
Daß er jetzt in Treue
Dir allein nur glüht,
Und in dir die Weihe
Seines Lebens sieht.
Schmetterling, der bunte,
Macht die Blumenrunde:
Aber kommt der flüchtige
An die schöne, züchtige
Blumenfürstin Rose,
Um die still er wirbt,
Dauert sein Gekose
Bis mit ihr er stirbt.
Ihre Blätter fallen
Mit den Reizen allen;
Unter den gesunkenen
Seht ihr auch den Trunkenen
Liegen todt im Staube,
Weil's kein schön'res Grab
Als im Rosenlaube
Für den Falter gab.
7.
Mein Kind, du bist schön,
Und das ist viel,
Doch Reize vergehn
Im Liebespiel.
Schön ist auch der Mai
Und schwindet doch:
Sind Reize vorbei,
Was bleibt dir noch?
Mein Kind, du bist gut,
Und das ist mehr:
Auf Güte beruht
Die Liebe sehr.
Sie gleicht einer Blüte
Im Himmelslicht,
Doch richtet die Güte
Noch Alles nicht.
Lieb bist du, mein Kind,
Das gilt zumeist,
Denn das nur gewinnt
Dir Leib und Geist.
Das macht mich so heiter,
Und hält mich fest,
Weil es an nichts weiter
Mich denken läßt.
8.
Noch ein Lied, noch ein Lied,
Nur nicht geschwiegen!
Rose blüht, Herz entglüht
Voll von Vergnügen.
Wer noch erst trübe war,
Lenz weiß zu siegen, -
Glückliche Liebe war
Niemals verschwiegen;
Schlürft all die Seligkeit
In vollen Zügen,
Bis ihre Fröhlichkeit
Liedern entstiegen;
Liedern, die liebewarm
Plaudern und lügen,
Wie dich der Liebe Arm
Süß weiß zu wiegen.
Solchem verliebten Brauch
Mußt du dich fügen,
Und deiner Liebe auch
Singend genügen!
9.
Als ich mich verliebte
War es Winter, kalt,
Doch die Liebe übte
Frühlingswunder bald.
Nun der Lenz in klarer
Schönheit kam herein,
Ward ein wunderbarer
Doppelfrühling mein.
Den ich fühle Einer,
Einer den ich seh';
Wer vergliche meiner
Seligkeit sich je?
Muß der Eine flüchten,
Weiß der Andre treu
Stets mir vorzudichten
Blüthe, Duft und Mai.
Beide Lenzgewalten
Ueben süße Lust,
Daß sich kaum zu halten
Weiß die trunk'ne Brust.
Doch statt zu verstummen,
Gibt es Saus und Braus:
Jener schlägt in Blumen,
Der in Lieder aus.
10.
Eine Rose,
Die aus grünem Mose
Sanft das Köpfchen mir entgegen wiegte,
Pflückt' ich eilig,
Als ich heimlich neulich
Mich zu dir, mein süßes Lieb, verfügte.
Insgeheime
Flüstert mir die Kleine,
Fröhlich, bald sich an dich anzuschließen:
Ihr mich geben
Heißt so viel doch eben
Als ein Tröpflein in das Meer zu gießen.
Angekommen,
Hast du sie genommen,
Sie an deinen Busen zu erheben;
Da verklärte
Die Beneidenswerthe
Sich in Glanz und sprach mit Wonnebeben:
Erst im Grünen
Stand ich, und es schienen
Mir die Lüfte doch so kalt zu wehen:
Nun im Schnee
Stehen ich mich sehe,
Möcht' ich doch vor heißer Luft vergehen.
11.
In schattigen Locken
Ein Engelgesicht,
Die Stimme wie Glocken,
Das Auge wie Licht;
Im Kinne ein Grübchen,
Mein reizendes Liebchen,
Wer kennte dich nicht?
Oft dünkt mich ein Scherz nur
Mein süßes Geschick:
Mir poche dieß Herz nur,
Mir flamme dein Blick.
Die Brust wird mir enge,
Ich denke Gesänge
Und spreche Musik.
Doch wie es gekommen
Dieß Glück ohne Maaß?
Ich werde beklommen
Fragt ihr mich um das.
Mein Segen genügt mir,
Und endlich was liegt mir
Am Wie und am Was!
12.
Tage ohne dich,
Leere, liebelose:
Glück, verschone mich
Mit so hartem Lose!
Saget an, wer kann
Erst in Lust sich senken,
Und gleichgültig dann
An's Entbehren denken?
Jeder Tag bei dir,
Gleicht dem Blatt, dem schönen,
Das mit Liedern mir
Füllen die Kamönen.
Ohne dich ein Tag
Gleicht dem leeren, blanken,
Das vergebens mag
Harren der Gedanken.
Sieh', wie Ruhm und Glück
Du in dir vereinest,
Wenn du meinem Blick
Tag für Tag erscheinest.
13.
Die Liebste küßte mich,
Das heißt:
Gib doch zur Ruhe dich,
Du Plaudergeist!
Nicht Alles sag' der Welt,
Sei still:
Es schweige, wer gefällt
Und küssen will.
Ich schweige, weil ich soll
Und muß:
Fürwahr ein süßer Zoll
Ist solch ein Kuß.
Da gibt's zu denken kaum
Mehr Zeit,
Zu sehen keinen Raum
Als Lippenbreit;
Zu fühlen, was ein Arm
Umspannt,
Was liebezitternd warm
Drückt eine Hand.
Die Lieder enden still
Die Reih'n:
Es läßt, wer küssen will,
Das Singen sein!
aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer