(1887.)
Wie ist so lau und lind die Luft –
Die Fenster auf und fort die Decken!
Es irrt ein feiner Veilchenduft
Um wieder knospenreiche Hecken.
Es rauscht der Bach, der träge schlich,
Voll gelber Kätzchen hängt die Weide,
Und da und dort sonnt freudig sich
Ein Falter schon in buntem Kleide.
Die Lerche jubelt im Blauen!
Im Sonnenbrande reift das Korn
Dem großen Erntetag entgegen;
Es quillt des Ueberflusses Horn
Von Segen über allerwegen.
Den Bann der Schwüle ab und zu
Bricht siegesprächtig ein Gewitter,
Und seine Sense schärft in Ruh’
– Er pfeift ein Lied dabei – der Schnitter.
Die Wachtel schlägt im Getreide!
Der Wald ist bunt; im Winde schwimmt
Mariengarn an stillen Tagen;
Empor zu seinen Reben klimmt
Der Winzer, nach dem Wein zu fragen.
Die Welt steht klar und feierlich
Vor dir – doch ahnst du ihr Sichhärmen,
Und für die Reise schaaren sich
Die Vögel all’ zu dichten Schwärmen.
Die Schwalbe zwitschert am Firste!
Im Schnee begraben liegt die Welt;
Sie athmet kaum – sie schläft und feiert.
In bitterkalten Nächten bellt
Der Fuchs zum Mond, der rothverschleiert;
Und unterm Fuß des Wandrers kracht
Der Schnee und in vereisten Forsten
Ist manche Eiche über Nacht,
Die noch im Herbste grün, geborsten.
Die Krähen krächzen am Wege!
Im Bilde sieh des Menschen Loos!
Wer pflegte nicht in Kindertagen
Mit leichtem Sinn und ahnungslos
Den bunten Faltern nachzujagen?
Wer hat als Jüngling nicht gestrebt
Mit leiblichen und geist’gen Waffen
Und mit der Gluth, die in ihm lebt,
Ein schönes, ganzes Glück zu schaffen?
Da sangen Wachtel und Lerche!
Und als das Heer der Träume schied
Und als sie kam, die große Stille,
Wer sang nicht der Entsagung Lied,
Wem schwieg er nicht, der laute Wille?
Und wer entgeht der letzten Noth,
Wie viel er auch umschifft der Klippen,
Da ihm mit weicher Hand der Tod
Das Siegel legt auf bleiche Lippen?
Erst die Schwalbe und dann die Krähe!