Die Geliebte, der ich lebe,
Aller meiner Freuden Bild,
Wurde mir nun auch zur Hebe,
Die mir meinen Becher füllt.
Ja, sie füllt ihn fröhlich singend,
Daß entschwinde jeder Harm,
Meinen Nacken süß umschlingend
Mit dem weichen Lilienarm.
Dann versucht mit süßen Lippen
Sie des Trankes Feuerkraft,
Seligkeit mir vorzunippen
Aus dem rothen Rebensaft.
Und bedünken will mich's immer,
Roth geworden sei der Wein
Von der Wangen Rosenschimmer
Und der Lippen Wiederschein.
Hebe
Ganymeda, holdes Weib,
Mit der vollen Schaale,
Mit dem wunderschönen Leib
Und dem Lustpokale!
In der frohen Götter Schaar,
In Kronions Saale:
Sehen möcht' ich dich fürwahr
In der Anmuth Strahle!
Doch aus Liebe wünsch' ich's nicht,
Nur aus Wißbegierde;
Denn ich kenn' ein Angesicht
Voll der Schönheitzierde,
Angehörig einer Maid,
Die dir gleich an Würde,
Und die dich an Herrlichkeit
Ueberstrahlen würde.
Möge preisen dich der Sang
Aller in der Runde,
Weil du schenken kannst zu Dank
Deinem Götterbunde: -
Glaube, daß kein Wein so leicht
Jemals besser munde,
Als den mir mein Mädchen reicht
In verliebter Stunde.
Die Schenkin
Was von seinen schönen Heben
Je geträumt der Occident,
Ist in Wirklichkeit gegeben
Dem beglückten Orient.
Seine Schenkin heiter lächelnd
Füllt Hafisen den Pokal,
Unterdeß ein Zefir fächelnd
Ihr die Nackenhülle stahl.
Reizend, wie man Hebe malte,
Ueberfliegt sie Rosenschein,
Und kein schön'res Bildniß stralte
Jemals in den Wein hinein.
Ihre Lippen und den Becher
Bietet sie ihm liebevoll,
Und der süßbewegte Zecher
Weiß nicht, was er wählen soll?
Was das Abendland erdachte
Als ein schönes Ideal,
Seht, im Morgenland erwachte
Es im hellen Farbenstral.
Gleichen will ich d'rum dem Persen
Mit der Schenkin hold und fein:
Bin ich doch so reich an Versen,
Und das schönste Mädchen mein.
Ob sie mich begeistern dürfte,
Wenn sie mir zur Seite stand? -
Ach, wer ihre Küsse schlürfte
Und den Wein von ihrer Hand:
Dem erwacht die Dichtergabe,
Als ob Zauber sie erschuf,
Und mir däucht, ein wenig habe
Ich doch auch dazu Beruf.
Toast
Fröhlich lebe
Meine Hebe,
Die der Rebe
Süßes Blut mir beut:
Sie die Eine,
Die dem Weine
Gibt die reine
Liebeseligkeit.
Sei es westlich
Oder östlich,
Ach, so köstlich
Ist, was sie kredenzt;
Staunt, ihr Brüder,
Immer wieder
Wenn mein Lieder-
Schmuck die Schöne kränzt!
Biete süße
Liebesküsse,
Gieße, gieße
Feuerreichen Wein:
Nur die Spende
Deiner Hände,
Sie vollende
Ganz mein Seligsein!
Darum lebe
Meine Hebe,
Die der Rebe
Süße Gluth nur beut:
Sie die Eine,
Die dem Weine
Gibt die reine
Liebeseligkeit!
aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer