Die Verwandlungen der Venus.
„Zeugen, Geburt und Tod,
Wann wird es stille!
Wo glüht das Urgebot,
Wo wacht der Wille?“
Otto Julius Bierbaum.
Niemals sah ich die Nacht beglänzter,
diamantisch reizen die Fernen;
durch mein staubiges Kellerfenster
sticht der Schein der Gaslaternen,
schielt auf meine frierenden Hände,
und ich fühle meinen Hunger;
grau sind diese nackten Wände,
und sie flimmern. Und mein junger
irrender Wille kann sich nicht mehr täuschen
unsre Lüste wollen fruchtbar sein!
Mit den Schatten meiner keuschen
Kammer spielt ein schwüler Schein.
An den hohen Häusern drüben glühen
aus der Finsternis die Fenster,
wo die Freudenmädchen blühen –
niemals sah ich die Nacht beglänzter!
Und die Sterne sind wie brennende Blicke,
Welten sehnen sich nach mir!
Ich verschmachte. Ich ersticke.
Ja: ich frevelte an Ihr!
Selbst in meiner kalten Zelle
fühlte ich das Leben toben,
der ich wagte, dieses schnelle
Herz zu dämpfen; aber oben
über meinem dunklen Thale,
Venus, seh ich angebrannt
Deine flammenden Fanale,
und den Blick hinaufgewandt
ruf’ich aus dem tiefen Turme
meiner Aengste zu dir hoch:
Göttin, wandle dich zum Wurme,
sei im Wurme Göttin noch!
Sausend schaukelt eine Not mein Herz
wie in erster süßer Knabenfrühe;
ich verschmachte! ich verglühe!
jeder Stern ist mir ein Schmerz, –
ihrer Strahlen ferne starre Ruten
martern, wenn du mich nicht kühlst,
wenn nicht Du mit deinem brünstigen Blute
meine brennenden Dürste stillst!
Sieh, es lichtet sich ein neues Fenster,
zuckt ein steiler Kerzenstreifen –
niemals sah ich die Nacht beglänzter!
Ja: entzünde dich dem Reifen,
Ewige, lächle: Deine Kerzen bleiben,
alle andern sind verblichen!
Hinter jenen schwarzen Scheiben
schlafen alle Ordentlichen ...