Fernsicht

Auf des Berges höchstem Scheitel
Steh' ich allezeit so gerne,
Wandersehnsucht, Wunderahnung
Zieht mich nach der lichten Ferne.

Und im Herzen hör' ich's rauschen,
Jubelschlag von Adlerschwingen,
Und es wähnt die trunkne Seele,
Durch's Unendliche zu dringen.

Doch wie bald wird's bang' und öde,
In dem schwindlich weiten Raume,
Und nach einer Stelle flücht' ich
An der Berge blauem Saume.

Schwimmen doch wie sel'ge Inseln
Wollig weiche Wolken drüber,
Und nach deinen lieben Augen
Fliegt mein mildes Herz hinüber.

Ja, ich seh' dich grüßend wallen
Durch die fernen Lichtgefilde,
Und mein Wähnen und mein Träumen
Wird mir zum lebend'gen Bilde.

Collection: 
1859

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Das Mondlicht ist versunken kaum,
Herr Odin sitzt am Galgenbaum,
     Die Todten reden leise.

„Ihr drei Gesellen über mir,
Nun saget an, was raunet ihr?“
     Die Todten reden leise.

„Wir harren auf klein wild Waltraut,
Die Zeit wird lang...

Ich saß in finstrer Trauer,
Mir war das Herz so schwer, -
Da kam aus dunkler Ferne
Einsam ein Stern daher.

Er glänzt wie eine Thräne,
Die stille Sehnsucht weint,
Die wie ein Blick der Hoffnung
Aus treuen...

Und weil ich denn von dannen muß,
Und all' mein Glück vergangen,
So laß dich mit bethräntem Kuß
Ach, einmal noch umfangen!

O blick' mir nicht so sehniglich
Hervor aus deinen Thränen!
Es soll hinfort kein Auge sich...

Dein Antlitz ist kein heißer Tag,
Es ist ein milder Mondenschein;
Dein Herz bewegt kein wilder Schlag,
Der Friede Gottes schließt es ein.

Mein Auge glüht, mein Auge ist wild,
Sein einz'ger Friedensstern bist du,
Und...

VI.

VI.
Ich bin erwacht von wilden Träumen,
Du aber schlummerst sanft und mild.
Schon will ein Grau die Wolken säumen,
Doch schweigend liegt noch das Gefild.

Da ruht dein Leib! – In sanfte Wellen
Ist aufgelöst der...