Erinnerung an die Rudelsburg

I.

Wir weilten in alten Ruinen
Ein junges glückliches Paar,
Mit liebeseligen Mienen,
Das treu verbunden war.

Wir sprachen mit Kuß und Scherzen,
Mit Wonneblick und Thrän
Von unsern seligen Herzen,
Die fester als Burgen stehn! –

Will ich nun wiedersehen
Die Stätte meines Glücks,
So muß ich einsam gehen,
Gesenkten, trüben Blick’s.

Der damals mich umfangen
Sank wie dies Bergschloß ein!
Von beiden die vergangen
Spricht nur noch das Gestein!

II.

„Hörst du die Saale drunten flüstern?
O mein Geliebter – da hinab!
Könnt Trennung uns das Leben düstern,
Dort ist für uns ein einig Grab!“

So rief ich aus voll Liebesbeben,
In meines Herzens Ahnungsgrauen,
Du aber sprachst von Glück und Leben
Mit heiterlächelndem Vertrauen:

„Nicht Trennung kann das Leben haben,
Mein Liebchen, ja für dich und mich,
Nur Liederflut mag uns begraben
Und Deine Locken decken mich!“

Nun bist du, Liebster, doch begraben,
Auf kalter Brust die Locke mein –
Kann mich die Liederflut noch laben,
Die jetzt umwogt nur mich allein?

Ach, wie wir damals uns umschlungen
Hättst „Schwärmrin“! du mich nicht genannt
So wären wir hinabgesprungen
Und hätten Trennung nie gekannt.

So wär ich nicht allein geblieben
In dieser kalten, öden Welt,
Die, weil ich nicht kann wieder lieben,
Mein Herz für kalt und fühllos hält.

Doch muß ich noch im Leben ringen:
Wohlan – der Liebe Glück ist hin, –
Noch aber kann ich mutig singen:
Noch lebt mein freier, stolzer Sinn!

Noch kann ich kämpfen mit Ruinen,
Die so wie diese ringsum stehn,
Noch kann der neuen Zeit ich dienen,
Und froh das Alte weichen sehn.

Noch kann ich wie die Saale drunten
Dem Vorwärtswogen froh mich weihn –
Doch hab ich einsam stille Stunden
Träum ich von Liebe – ewig Dein! –

Collection: 
1893

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