Einem Baubruder

I.

An die Vigilien, die wir gehalten
Vor inhaltsvollen, heil’gen Festestagen
Denk’ ich entzückt wie an ein Flügelschlagen
Des Genius, trotz irdischer Gewalten.

Denk’ ich mit andachtsvollem Händefalten!
Denn ob dem Niederen emporgetragen
Von der Begeistrung goldnem Sonnenwagen,
Umringten uns nur himmlische Gestalten.

Wie einstens jene frommen Brüderschaften,
Die sich dem Dienst der heil’gen Baukunst weihten,
Profanem Wesen siegreich sich entrafften:

So soll auch uns ein heilig Paßwort leiten,
Für des vereinten Strebens Reinheit haften,
Und in den Kampf des Lebens uns begleiten.

II.

Das Paßwort, das gleich einem Sonnenstrahle
Den Pfad zum Ziele zeigt, lichtübergossen,
Bauhütten öffnet, die uns sonst verschlossen,
Dies Paßwort heißt: Getreu dem Ideale.

Vor dieser Losung sind mit einem male
Verscheucht die Thoren, die es stets verdrossen,
Wenn keusche Seelen Himmelstrank genossen,
Entquollen einem wunderreichen Grale.

Wir aber sind durch dieses Wort verbunden
Mit heilgem Band, durch keine Macht zu trennen,
Seit wir uns so auf gleichem Pfad gefunden!

Und wollen kühn vor einer Welt bekennen,
Daß wandellos, schlüg’ sie uns drum auch Wunden,
Wir Streiter uns fürs Ideale nennen.

Collection: 
1893

More from Poet

1. Caritas Pirkheimer.

Mit seinen Türmen, seinen stolzen Warten
Liegt Nürnberg vor des Wandrers Blicken da,
Der aus dem Forst „des Reiches Bienengarten,“
Sich einem Stadtgetrieb’ genüber sah,
In dem sich tausend Hände emsig regen,
Das Gute gut...

Zwei Fenster.

I.

Ein Fenster hinter blendenden Gardinen,
Das hoch und groß den Blick hinein verstattet;
Vom hellen Sonnenglanze ist’s beschienen,
Der an den blanken Scheiben nicht ermattet.

Umzogen ist’s von grünen Epheuranken,
Lorber...

1842.

Nicht sing ich jetzt von inn’rem Leid und Glücke,
Das einzig meiner Seele nur gehört –
Ich weise meines Schicksals Weh zurücke,
Vom Gramversinken bin ich aufgestört,
Der Gegenwart gilt’s ganz und gar zu leben,
All ihren Stürmen will ich...

Schon in der Jugend Morgentagen
Fühlt ich mich als ein Kind der Zeit
Und ihrem Hoffen, ihren Fragen
War stets mein Wort, mein Lied geweiht.

Mein ganzes Herz, mein ganzes Leben
War nur erfüllt von einem Ziel:
Mich an mein Volk dahin zu geben,
...

Zöblitz, im Mai 1853.

Ein Pfingsten kam – o welche Festesfeier!
Der schöne Mai im hellen Blütenkranz
Zerreist des Himmels düstern Wolkenschleier,
Und zeigte ihn in seinem blau’sten Glanz. –

Kann solche Wonne auch im Kerker wohnen?
Ist da auch...