Eine Kaiserin

Wie wogt durch Frankfurts Straßen ein festliches Gedränge
Wie scheinen die Paläste, der Kaisersaal zu enge,
Wie flattert hochgewaltig das deutsche Banner vor,
Wie steigt des Reiches Adler so siegesstolz empor.

Das ist der Hohenstauffe, der edle Friederich,
Dem jeder Nebenwerber vom Kaiserthrone wich,
Das ist Held Barbarossa, erwählet und gekrönt,
Zu dessen Ehr’ und Feier die Stadt von Jubel tönt.

Tagüber Schauturniere und abends Spiel und Tanz,
Ein frei und froh Gebahren und heitrer Mummenschanz,
Niemanden wird der Zutritt zum Kaiserpaar verwehrt
Der Bürger wie der Ritter sind hier gleich hochgeehrt.

Zur Kaiserin der holden im schönen Damenkranz,
Tritt eine Heldenmaske und fordert sie zum Tanz,
Ein Mann von hohem Wuchse und ritterlicher Art,
In dem sich Kraft und Stärke mit feiner Sitte paart.

Von seinem Arm umfangen, wie schwebt die Kaiserin
An seiner Seite fröhlich durch alle Reihen hin,
Wie lauscht sie seiner Rede und denket still bei sich:
Wie er vor allen andern so hold und ritterlich.

Dem Tanze folgt ein zweiter, sie bleibt an seiner Hand –
So Stund’ auf Stunde eilend bis zu der letzten schwand,
Da sich die Masken lösten und Freund und Feind sich kennt –
„Herr Ritter, Euren Namen nun Eurer Kais’rin nennt!“

Sie sprachs mit holdem Lächeln und nahm die Maske fort –
Er folgte ihrem Beispiel – doch sprach kein einzig Wort –
Bleich wie der Tod sein Antlitz und rings ein Schreckensschrein,
Weit von ihm weichen alle, er stand geflohn, allein!

„Der Henker ists von Bergen!“ So schrie man durch den Saal,
Unehrlich wer berühret ihn nur ein einzig’ mal,“
Die Kais’rin barg ihr Antlitz vor solcher großer Schmach
Der Kaiser hoch erzürnet die Donnerworte sprach:

„Werft ihn hinaus und morgen mit seinem eignen Schwert
Soll er gerichtet werden, er ist des Todes wert!“ –
Doch jeder Knecht auch fürchtet, das er den Henker streift –
Indeß die Kais’rin selber des Armen Hand ergreift.

Sie hat sich aufgerichtet, und hold wie Rosenthau
Glüht minniglich das Antlitz der kaiserlichen Frau,
Vor Barbarossa nieder sinkt sie auf ihre Knie’
Und fleht als ob ein Seraph ihr seine Stimme lieh!

„Ihr laßt mir nicht entgelten, was ist zur Stund’ geschehn,
Ihr werdet’s nimmer dulden unehrlich mich zu sehn;
Doch müßt’ es Schmach mir bringen, wenn Ihr den Tod verfügt
Ob den, der mich im Tanze in seinem Arm gewiegt.“

„Verzeihen ist des Weibes und ist des Fürsten Pflicht,
Weh’ ihr und ihm, wenn jemals die Gnade ihm gebricht,
Um mein- um seinetwillen vergesset und vergebt!“
Ihr flehend’ Aug’ sich leuchtend zu dem Gemahl erhebt.

Nie hat er widerstanden solch minniglichem Blick,
Er bannt die finstern Geister in seine Brust zurück,
Der Zorn auf seiner Stirne schon weicht er allgemach,
Da auch der Henker selber zu seinen Füßen lag:

„Herr Kaiser“ ruft begeistert des Henkers bleicher Mund –
„Thut Eure Gnade würdig so edlen Weibes kund,
Zu ihrer Reinheit nimmer reicht das Verhängnis je,
Das ich an meine Schritte als Fluch geheftet seh.“

„Zu ihrer Hoheit nimmer reicht niedern Mannes Art,“
Doch ist dem hohen Weibe noch höhre Kraft gepaart:
Es kann befrein, erlösen, in welche tiefe Schmach
Des Mannes rauhes Wesen ihn auch verstricken mag.“

„Unehrlich kann nicht werden durch mich die Kaiserin,
Weil sie zu hoch erhaben und ich so niedrig bin,
Doch ich kann ehrlich werden durch ihre Gnad und Huld –
Drum nehmt mit Eurem Schwerte von mir so Schmach als Schuld!“

Der Kaiser hört’s mit Staunen und sieht die Gattin an,
Dem Kaiser wie dem Henker hat sie es angethan;
Mit ihren milden Augen daraus ein Engel blickt,
Da hat sie selbst dem Gatten das Schwert zur Hand gedrückt.

Er hebt es und mit Lächeln zu dem, der vor ihm kniet
Spricht er: „Nun Schelm von Bergen, von ehrlichem Geblüt
Und Ritter gleich dem Besten seid ihr von diesem Tag,
Empfangt vor allen Edlen von mir den Ritterschlag.“

„Heil, Heil dem Kaiser!“ jauchzte der Gäste große Zahl,
Still aus der Kais’rin Auge sich eine Thräne stahl,
Der neue Ritter fühlte sie heiß auf seiner Hand,
Die wars die ihn geadelt vom alten Fluch entband.

Collection: 
1893

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