Ein Traum

Ich schwamm dahin, auf weißer Wolke liegend,
Durch unermeßne blaue Luft dahin;
Die Erde lag wie Gold tief unter mir,
Mit künstlerischem Farbenschmelz gezieret;
Auch Sterne sichtbar, nur wie goldne Funken
Verstreut im duftig lichten Tagesblau.
Die Sonne fühlt' ich ohne sie zu schauen.
Es war so friedlich warm, so wonnevoll;
Ich trank in sanften, langgedehnten Zügen
Die sel'ge Luft und schwamm und schwamm dahin.

Da regt es leise mir im Innern sich:
Wohin mit all der stillen Morgenwonne?
Ist Niemand denn, der mein Empfinden theilt?
Was um mich spielt, ist seelenlose Luft,
Ich bin allein. Still hub ich an zu weinen. -

Sieh, da vernahm ich steigend ein Geflüster
Und eine Stimme hauchte mir in's Ohr:
"Ich bin der Luftgeist. Du bist nicht allein,
Ich liebe dich, ich bin nicht seelenlos,
Wie du geglaubt! Ich war dir Lebensodem,
Mit jedem Hauch zog ich in deine Brust.
Ich bin in Allem, was dich nährt, erhält,
Was dich erfreut, was deine Hand berühret,
Dein Auge schaut, was je dein Ohr vernommen,
Du aber dachtest nie der armen Luft;
Nur wenn ich fächelnd stärker dich umhauchte,
Wenn ich versuchend dir im Haar gespielt,
Ob du mich kennest, sprachest du von mir,
Der seelenlosen rauh'n und linden Luft."

Der Luftgeist schwieg. Ich aber sprach mit Staunen:
""O zeige dich!"" - da tönt' es mir: "Geduld!
Einst wirst du schauen; jetzund fühle mich!"

Und es begann ein Brausen und ein Rauschen
Und schwoll und quoll an's bange Herz hinan;
Die Arme breitend wollt' ich ihn umfangen,
Entzücken rieselte durch ird'sche Brust,
In sel'gem Taumel hoben sich die Sinne ...
Und ich erwachte! Dunkel um mich her;
Nur schneidend hell, was mir das Herz durchzuckte:
"Es war ein Traum!" ... Und öde ward's in mir, -
"Elende Nüchternheit des Lebens Antheil,
Und die Entzückung heimisch nur im Traum!"

O Stimme, Stimme die mich jetzund traf,
Am äußern Ohr nicht, nein, in tiefer Seele!
"Wer hat wie sanfte Luft dich hingetragen?
Wer war der Lebensodem deiner Brust?
Ich liebe dich mit endlos reicher Liebe,
Du hieltest Mich wie seelenlose Luft!
Ich formte dich, du warst Mir Augenweide
Und süß Ergötzen, doch du hieltest Mich
Wie seelenlose liebesbaare Luft!"

Halt ein! O laß mit dem Gemüt mich fassen,
Was der Verstand bekennt! ... Dem Blinden gleich,
Dem trüb verhüllt ein matter Schein geblieben,
Dem Tauben gleich, der an des Uhrwerks Picken,
Mehr durch's Gefühl vernommen, Hoffnung schöpft,
So ringt mein Herz, den Lichtstrahl zu erfassen, ...
Ich bin geliebt mit mächt'ger Schöpferliebe,
Ich bin geliebt, das Leben Selbst liebt mich ...

O schäle, Gott, die Hüllen mir vom Auge,
Zum Ohr, zur Seele sprich: Eröffne dich!
Den Liebesdurst, reg ihn mir auf im Busen,
Einst fällt der Schleier dann, und nachtentronnen
Schwimm' ich, o Gott, in Deinem Hauch und Licht,
Von Angesicht Dich schau'nd zu Angesicht!

Collection: 
1865

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