Stolz in seiner Schönheit Blüthe,
Wild in seiner Jugend Macht,
Sehnt Narciss sich nicht nach anderm Glücke,
Fragt nicht, ob in holdem Blicke
Ihm der Liebe Zauber lacht.
Doch für seinen Reiz entglühte
Längst die zarteste der Schönen,
Liebevoll, mit heissem Sehnen
Denkt sie sein bey Tag und Nacht.
Und sie folget ihm von ferne
In die Thäler, in den Wald,
Folgt ihm leise nach mit bangem Schweigen,
Wagt es nicht, sich ihm zu zeigen,
Birgt ihm schüchtern die Gestalt.
Ach! wie sagte sie so gerne,
Was in ihrem Busen lebet,
Doch wenn Sehnsucht vorwärts strebet,
Fesselt sie der Furcht Gewalt.
Und so lauscht sie seiner Rede,
In der Büsche Nacht versteckt,
Lauschet sorglich jeglicher Bewegung,
Oft von wunderbarer Regung
Tief im Innersten erschreckt.
Ihr ist selbst der Frühling öde,
Wo sie nicht den Holden siehet,
Doch ein Zauberland erblühet,
Wo sie zitternd ihn entdeckt.
Einst in der Gefährten Mitte
Sieht sie den Geliebten stehn.
Liebe treibt sie, ihm ans Herz zu sinken,
Und sie sieht den Jüngling winken,
Höret seine Stimme wehn. -
Aus dem Busch mit raschem Schritte
Eilt sie, ihm ans Herz zu fliegen,
Sehnend sich an ihn zu schmiegen,
Glaubt vor Wonne zu vergehn.
Doch nicht ihr hat er gewinket,
Und er flieht erstaunt zurück.
Ach! von ihrer Lust, von ihren Schmerzen,
Fühlt er nichts in seinem Herzen,
Kalt und düster ist sein Blick.
Und in Reu und Schaam versinket
Die Betrogne, sie entfliehet,
Doch im Innersten durchglühet
Sie das süss erträumte Glück.
In der Berge tiefste Klüfte,
Zu den schroffsten Felsen trägt
Sie der Liebe Harm, das treue Sehnen -
Einsam lauscht sie seinen Tönen,
Und wenn fern ein Laut sich regt,
Lässt ihn leise durch die Lüfte
Die Betrogne wiederschallen;
Hört sie dann den Ton verhallen,
Wird ihr Busen neu bewegt.
Und so schwand ihr zartes Leben,
Und ihr treues Auge brach;
Doch ihr Sehnen blieb den düstern Klüften,
Ihre Stimme noch den Lüften,
Wird bey jedem Rufe wach.
Und wenn Töne sich erheben,
Wähnt sie, dass der Liebling rede,
Und so lispelt aus der Oede
Sie getäuscht die Worte nach.