Dies irae

Aug' in Aug'
Das Antlitz auf die Arme stützend,
Schaust du mir glutstumm ins Gesicht;
Die Stirn umwölkt, das Auge blitzend -
Doch deine Lippe regt sich nicht.

Wie selig ist die Flut, die brausend
Dem kühnen Fels entgegenspringt!
Wie selig ist der Sturm, der sausend
Den grünen Baum im Wald umschlingt!

Wir aber müssen stumm uns zwingen,
Wie es auch stürmt im Herzensgrund;
Nie soll ich mehr dein Herz umschlingen
Und küssen deinen Fiebermund.

Dein Aug' nur blitzt, das gluterregte,
Vor Leidenschaft und süßem Grau'n! -
O, laß mich in dies wildbewegte
Gewitter deiner Seele schau'n:

Daß mir's der stumme Blitz erzähle,
Wie auch dein Herz in Sehnsucht brach! -
Und in den Klüften meiner Seele
Grollt es wie ferner Donner nach!

Ja, schau mich an!
Ja, schau mich an mit deinen Blicken
Voll tiefer, seelensüßer Glut
Und trink' mir aus mit Spiel und Nicken -
Mein ganzes Herz, mein letztes Blut!

Ich kann dir nimmer widerstreben;
Nimm mich dahin – ich bin ja dein!
Nähr' deine Glut mit meinem Leben -
Und in der Glut vergeht mein Sein!

Verschlossenheit
Verschlossen bist du für die Welt und mich,
Dein Herze scheut
Den warmen Hauch – doch einst kommt's über dich,
Daß dich's gereut!

Wenn du einst ringst mit deinem letzten Schmerz,
Hart vor dem Sarg:
Dann härmst du dich, was dieses reiche Herz
Der Welt verbarg!

Daß dich erschaut kein lichtes Auge je,
Von Glück betränt;
Du gleichst der Blume, die sich erst im Schnee
Nach Blühen sehnt!

Dann ist's zu spät – ein unermeßlich Leid
Wird es dir sein:
Dies letzte Weh verlor'ner Seligkeit - -
Dann denkst du mein!

Abwärts
Muß ich von dir das Wort erfahren:
"In allem abwärts geht mein Pfad!"
Von dir, von dir? – die mir seit Jahren
Nur segenspendend ist genaht!

Man sagt ja, daß die Engel ahnen;
Du bist so engelschön und jung -
Mußt du mich an mein Welken mahnen,
Steht mir im Aug' schon Dämmerung?

Dann geh'! Lichtalfe – zieh' ins Weite!
Du kannst geleiten nur zur Höh',
Hinab braucht's anderes Geleite -
Hab' ew'gen Dank, mein Engel! – Geh'!

Hingegeben
Alles hab' ich hingegeben,
Was das Glück gehäuft auf mich:
Friede, Freude, Schaffen, Leben -
Alles gab ich's hin um dich!

Um die Liebe, um die große,
Die mein ganzes Herz durchquillt,
Um die arme, hoffnungslose -
Unerfüllbar, unerfüllt!

Nimmer weiß ich's, was ich tue,
Nimmer denk' ich's, daß ich schlief!
Ohne Glück und ohne Ruhe
Lieb' ich dich – und doch so tief!

Sirene
Oft graut es mir vor deinem Silberlachen,
Dein Aug' ist Feuer und dein Herz ist Stein;
Du läßt die tiefste Leidenschaft erwachen -
Wer an dir wach wird, der schläft nimmer ein.

Wie die Sirene, die am Felsen sitzt,
In blauer Meerflut, wo die Wogen branden,
Schaust du hinaus - - - dein spielend Auge blitzt
Und wartet lachend, wie die Herzen stranden!

Dämonen
Du siehst dein Herz in seiner Schönheit pochen
Und denkst der Herzen, die dies Herz gebrochen;
Die Lippe wölbt sich und dein Auge glüht -
Wie deine Lust aus all' den Schmerzen blüht!

Unselig Weib! – Erschrick vor den Dämonen,
Die in dem Abgrund deiner Seele wohnen;
Sie griffen Tausende, sie griffen mich - -
Einst kommt der Tag und sie ergreifen – dich!

Letzte Wonne
Du kennst die letzte Wonne nicht,
O Weib, und wirst sie nie ergründen:
In deinen Augen glüht ein Licht,
Das will nicht wärmen, will nur zünden!

Wohl ist es süß, wenn ohne Laut,
Wenn, glutverzehrt von Qual und Hoffen,
Ein Menschenaug' in deines schaut,
Vom Blitzstrahl deines Blicks getroffen;

Doch weißt du nicht, wie süß das ist:
In jener Liebe sich ergeben,
Die liebend ihrer selbst vergißt
Und wähnt, ein Wunder zu erleben!

Die selig sich gestehen kann:
Ich schmied' aus Schönheit keine Waffen;
Es war kein Sieg, den ich gewann,
Es war nur Glück, das ich geschaffen!

Mahnung
Oft zuckt's um deine Augenlider
Und um die Lippen, leicht geschwellt,
Als stünd' in diesen Augen wieder
Die alte Sehnsucht nach der Welt,

Der Welt, aus deren dunklem Banne
Mein Fittich dich von hinnen trug. -
Wie lauschtest du dem heißen Manne!
Fühlst du ihn noch, den großen Flug?

Aus einem Geist bist du geboren,
Schlag' auf die Augen! - halte stand! -
Es ging mein Herz daran verloren,
Daß ich das deine wiederfand!

Evoe!
Bacchantin mit dem feuchten Blick,
Wie deine Schläfe glühen!
Du streifst das umlockte Haar zurück,
Drin schwellende Blumen blühen.

Wie Wellenschlag wiegt sich dein Gang,
Die Lippen sind gekräuselt,
Es lockt dein Wort wie jener Klang,
Wenn Wind im Schilfe säuselt.

Du glühst vor Jugend und vor Kraft
Und Kraft ruft nach dem Sieger -
Um deine Schönheit drängt Leidenschaft
Sich wie ein grollender Tiger.

Du weißt es ja!
Du weißt es ja – du bist doch mein Geschick,
Mein Heil und Leid, mein Trost und mein Verderben;
Ich hab' gelebt in deinem Feuerblick
Und an dem Feuerblicke muß ich sterben!

Die Zeit ist da; mein Herz erliegt der Not,
Es welkt die Wange, die dein Hauch gerötet;
Doch rühmen sie mich einst nach meinem Tod -
Dann rühme du dich: "Ich hab' ihn getötet!"

Collection: 
1908

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