Die zweite Nacht

     Drum komm, o komm, noch einmal schweigt
so voll ins Feld, so weiß und weit
der Mond ins Feld; noch einmal zeigt
die weite Nacht,
die zweite Nacht,
uns unsre nackte Seligkeit.

     O komm, o komm, ich will dich sehn –
und silbern rauscht der Eichenhain;
die langen Wiesenhalme stehn
so still, so weich
am kleinen Teich,
und schimmernd tauchen wir hinein.

     Und schimmernd, schimmernd heb’ich dich
heraus ins dunkelgrüne Kraut,
dein schwarzes Haar umrieselt mich,
der Tau wird warm,
und Arm um Arm
erkennt den Bräutigam die Braut.

     Und dann, o komm – oh flieh! denn dann:
wir hatten Schooß in Schooß geruht:
von einer gelben Blüte rann,
du sahst es nicht,
im bleichen Licht
ein Tropfen Blut – Dein Tropfen Blut.

Collection: 
1893

More from Poet

  • Ich will nicht immer küssen;
    ich will nur fühlen, du bist mein!
    Und wenn du noch viel nackter wärst,
    ich würde lieber zu Stein,
    als heut dich küssen.

    Gieb mir die stillste Stille,
    die du geben kannst....

  • Ich habe dich Gerte getauft, weil du so schlank bist
    und weil mich Gott mit dir züchtigen will,
    und weil eine Sehnsucht in deinem Gang ist
    wie in schmächtigen Pappeln im April.

    Ich kenne dich nicht - aber eines Tages
    wirst...

  • Ich bin arm, du bist reich,
    darum bau ich dir ein Schloß
    aus meinen purpurnsten Träumen.
    Das steht am grauen Nordseedeich,
    wo die funkelndsten Wellen schäumen.

    Denn unsre Liebe ist so groß,
    daß die ganze Welt...

  • Hab ich schon mit dir gespielt,
    als wir Kinder waren,
    scheu um Nachbars Ecke geschielt
    nach deinen flirrenden Haaren?

    Wenn mich nur dein Atem streift,
    fühl ich uns durchs Haidekraut springen;
    wenn mich deine...

  • Du mußt nicht meinen,
    ich hätte Furcht vor dir.
    Nur wenn du mit deinen
    scheuen Augen Glück begehrst
    und mir mit solchen
    zuckenden Händen
    wie mit Dolchen
    durch die Haare fährst,
    und mein...